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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese
Autoren: Roberto Costantini
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Stimme war sanft und kindlich, genau wie ihr leicht einfältiges Lächeln. In ihren Armen türmten sich Aktenordner.
    »Kann ich Ihnen helfen?« Sie wich meinem Blick immer noch aus und schüttelte verlegen den Kopf. Ein Aktenordner fiel zu Boden.
    Als ich mich bückte, um ihn aufzuheben, stieg mir ein feiner Seifengeruch in die Nase. »Tut mir wirklich leid«, sagte sie absurderweise.
    Ich konnte sie nicht dazu bewegen, mir ein paar von den Ordnern zu überlassen. Schweigend stiegen wir hinauf in die zweite Etage. Sie begleitete mich bis zu einem kleinen Vorzimmer, das in einen langen Korridor mit vielen Türen mündete.
    »Signor Dioguardi sitzt im letzten Büro.« Ohne mir in die Augen zu sehen, verschwand sie eilig im ersten Zimmer.
    Angelo saß an einem Schreibtisch, hinter einem Berg von allen möglichen Papieren, Ordnern und Mappen. In seinem Rücken hing ein großes Foto vom Papst. Ich musste lachen, als ich ihn in dieser völlig ungewohnten Umgebung sah. Seine totale Unfähigkeit, Ordnung zu halten, ließ ihn an seinem Arbeitsplatz wie eine Witzfigur aussehen.
    »Ich weiß, Michele. Dein Bruder Alberto mag hinter einem solchen Schreibtisch etwas hermachen. Ich dagegen gebe nur eine lächerliche Figur ab und verbreite ein Riesenchaos, obwohl hier eigentlich Organisationstalent gefragt ist.«
    »Wie ich sehe, hast du aber tüchtige Helfer.« Ich nickte in Richtung Korridor.
    Er brach in Gelächter aus. »Hast du Elisa etwa schon aufgespürt?«
    »Wenn das der Name der Göttin ist, die du deinen Papierkram durch die Gegend schleppen lässt …«
    Wie er mir erklärte, half Elisa Sordi seit zwei Monaten bei ihnen aus. Nur am Wochenende allerdings, da sie noch in der Ausbildung steckte und im Juni ihre Buchhalterprüfung ablegen würde. Sie war erst achtzehn.
    »Und woher hast du dieses Geschenk des Himmels?«
    »Von Cardinale Alessandrini, Paolas Onkel. Sie wurde ihm von unserem vornehmen Nachbarn empfohlen, dem Senator Conte Tommaso dei Banchi di Aglieno. Der Kardinal und der Conte helfen sich gern gegenseitig, obwohl sie in Sachen Politik und Moral nicht unterschiedlicher sein könnten: ein katholischer Demokrat und ein antiklerikaler Absolutist.«
    »Na, in diesem Fall freut sich der Dritte, nämlich du! Sie ist zwar noch ein bisschen jung, aber du weißt ja, dass ich vor nichts zurückschrecke …«
    Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Die ist nichts für dich, Michele.«
    »Und wieso nicht?«
    »Sie ist furchtbar unbeholfen und schüchtern. Außerdem ist sie eine fromme Katholikin und tiefgläubig, so wie ich.«
    »So denkst du also über mich, Angelo Dioguardi? Hältst du mich für einen Fan schneller Vögeleien mit geilen Flittchen?«, fragte ich in beleidigtem Tonfall.
    Ich erwartete ein Lachen und verstand nicht, warum Angelo so betreten aus der Wäsche guckte. Erst der Lärm der hinter mir zu Boden stürzenden Aktenordner ließ mich das Ausmaß der Katastrophe erahnen. Mit schamrotem Gesicht stand Angelo auf, um dem Mädchen beim Einsammeln zu helfen. Als ich mich mit meinem schönsten Trottellächeln umwandte, schaute mich Elisa mit traurigen Augen an, vollkommen fassungslos. Da ich nicht über die Gabe verfügte, mich unsichtbar zu machen, entschied ich mich für die banale Flucht zum Klo, wo ich mich eine Weile einschloss und verfluchte. Im Spiegel erblickte ich das Gesicht eines vulgären Idioten, der sich einen ungeheuren Fehltritt geleistet hatte.
    Ich kehrte erst zurück, als ich sicher sein konnte, Elisa nicht mehr zu begegnen. Angelos schadenfrohes Grinsen machte mich rasend.
    »Was gibt’s da zu lachen, du Blödmann? Hättest mich ruhig warnen können!«
    »Hab ich ja versucht, Michè. Jetzt weiß Elisa wenigstens, woran sie bei dir ist. Aber eine Chance hast du noch. Vielleicht kriegt sie ja einen Schlaganfall und vergisst das Ganze wieder …«
    Wir schlossen die Tür, um ein Bier zu trinken und ein bisschen zu plaudern. Es gab keinen Aschenbecher, weil Angelo im Büro nicht rauchte, daher benutzte ich den Papierkorb. Angelo erklärte mir, worin seine Arbeit bestand. Der Vatikan informierte ihn, wer alles sein Kommen angekündigt hatte, und seine drei fest angestellten Mitarbeiter verteilten die Priester und Schwestern dann auf die verfügbaren Unterkünfte. Getrennt, versteht sich. Um neue Verträge mit Gasthäusern und Klöstern kümmerte sich Angelo persönlich. Und um die Notfälle, wenn etwa unvorhergesehene Gäste kamen. Stets zu Diensten, in jedem Moment. Deshalb brauchte er eine
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