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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese
Autoren: Roberto Costantini
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komischer Junge, aber an seiner Stelle hätte ich auch Probleme.«
    Kaum zu glauben, dass es in diesem Ableger des Paradieses Probleme geben sollte. Andererseits hatte ich gelernt, dass Reichtum nicht gegen die Welt schützt, vor allem Kinder nicht.
    »Was für ein Problem hat er denn, außer dass er seine Mitmenschen ausspioniert?«
    »Manfredis Problem ist sein Vater. Der Conte ist ein einflussreicher Politiker. Er ist Vorsitzender der Partei, die in Italien die Monarchie wieder einführen möchte. Durch die Investitionen, die seine Familie in Afrika getätigt hat – Holz, Bodenschätze, Tierzucht –, verfügt er über gewaltige finanzielle Möglichkeiten.«
    Auch ich hatte einen einflussreichen Vater gehabt und ahnte also, womit Manfredi zu kämpfen hatte. Wie ich Angelos Bericht entnehmen sollte, war es bei ihm aber noch viel schlimmer.
    »Der Conte hat eine sehr junge Frau aus einem nordeuropäischen Adelsgeschlecht geheiratet, Ulla. Sie war damals erst siebzehn und wurde gleich schwanger. Während der Schwangerschaft fuhr sie mit dem Reittraining fort, und der Fötus wurde geschädigt. Manfredi kam mit Hasenscharte und einem ausgeprägten Angiom auf die Welt, sein Gesicht war völlig entstellt. Ansonsten ist der Junge gesund und sogar ziemlich intelligent, aber er hat einen sehr schwierigen Charakter. Ehrlich gesagt tut er mir leid. Ich wüsste nicht, was ich an seiner Stelle machen würde.«
    Ich empfand kein Mitleid für das kleine Monster mit dem Fernglas. »Es gibt Schlimmeres im Leben, Angelo. Leute mit viel gravierenderen Behinderungen führen ein ganz normales Leben. Kann man das denn nicht operieren?«
    »Sie waren bei ästhetischen Chirurgen auf der halben Welt. Alle raten von einer Operation ab, solange der Junge noch wächst. Ich hoffe sehr für ihn, dass er eines Tages …«
    Eine blaue Limousine rollte in den Park und hielt neben dem Aston Martin. Ein Mitglied der Eskorte beeilte sich, die hintere rechte Wagentür zu öffnen. Der Mann, der ausstieg, flößte unverzüglich Respekt und Ehrfurcht ein. Mitte vierzig, bekleidet mit einem tadellosen blauen Nadelstreifenanzug, obwohl es sehr heiß war. Groß, kerzengerade, schwarzes nach hinten gekämmtes Haar über der hohen Stirn, markante Gesichtszüge mit einer ausgeprägten Adlernase, schmaler Schnäuzer und gepflegter schwarzer Spitzbart. Er würdigte uns keines Blickes, sagte seinem Leibwächter etwas ins Ohr und verschwand in der Villa A.
    »Ein liebenswürdiger Nachbar«, kommentierte ich.
    Angelo lächelte. »Der Conte hat nicht viel übrig für die Menschen, vor allem nicht für Leute unterhalb seines Niveaus.«
    Der Leibwächter kam auf uns zu, zeigte mit dem Finger auf mich und fragte Angelo: »Gehört der Herr zu Ihnen?«
    »Ja«, antwortete Angelo eingeschüchtert.
    »Dann möchte ich Sie bitten, Ihre Gäste daran zu erinnern, dass der Park Privatgelände ist und man hier nicht rauchen darf«, erklärte er nüchtern, bevor er sich wieder entfernte.
    Es war nicht zu fassen. Ein Grundstück, auf dem nicht nur Parken, sondern auch Rauchen verboten war. Wo man Besuchern von einer Terrasse aus hinterherspionierte und ihre Akte einsah. Ich konnte mir gut vorstellen, dass der junge Manfredi es nicht leicht hatte im Leben. Meine Zigarette trat ich lieber nicht auf der Erde aus, sonst hetzten sie mir noch ein Dobermannrudel auf den Hals oder versetzten mich in eine Polizeiwache irgendwo in den Bergen.
    Wie Angelo mir erklärte, bewohnte der Conte die Villa A und war Eigentümer des gesamten Anwesens, während der Vatikan nur als Mieter in Villa B residierte. Am Gittertor stellte mich Angelo der Pförtnerin Gina Giansanti vor.
    »Nächstes Mal rauchst du deine Zigarette, bevor du hier reinkommst, junger Mann«, sagte sie, und ich konnte nicht heraushören, ob das als Vorwurf gemeint war oder als barmherziger Akt der Solidarität.
    Am Tor wandte ich mich noch einmal um und winkte dem aufblinkenden Fernglas auf der Terrasse zu. Ciao, ciao, Manfredi.
    Die Pfarrgemeinde San Valente lag an der Via Aurelia antica, eine Viertelstunde entfernt. An diesem Samstag herrschte wenig Verkehr. Viele Geschäfte waren geschlossen, und die Römer saßen beim Mittagessen oder picknickten in einem der weitläufigen Parks. Ein kleiner Weg führte zur Kirche. Ich parkte auf der Wiese, zwischen wild wuchernden Sträuchern und Hecken. Alles wirkte ein bisschen verfallen und sich selbst überlassen. Die Kirche war klein und sehr schlicht. Unter der ewigen
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