Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese
Autoren: Roberto Costantini
Vom Netzwerk:
gar keinen Umständen, betonte ich noch einmal.
    »Und wenn einer aufs Dach klettert und runterspringen will?«, scherzte einer der Beamten.
    »Dann sagt ihr ihm, dass er bis morgen warten soll.« Mein Ton gab ihnen zu verstehen, dass ich es ernst meinte.
    Kurz nach vier hatte ich selbst den unwichtigsten Papierkram erledigt und dachte an Elisa Sordi, die Göttin. Ganz einsam und allein im Büro, am Sonntagnachmittag, in einer menschenleeren Stadt. Ich war versucht, gar nicht erst auf Angelo zu warten, sondern gleich in die Via della Camilluccia zu fahren. Aber das Mädchen hatte viel zu tun, und unsere misslungene erste Begegnung mahnte mich zur Vorsicht.
    Mein labyrinthischer Geist fand jedoch einen Mittelweg, und so rief ich um zehn vor fünf in Angelos Büro an.
    Nach zwei Klingeltönen antwortete eine schüchterne Stimme, die mir sehr wohl vertraut war.
    »Commissario Michele Balistreri hier. Wir kennen uns.«
    Sie sagte nichts, also fuhr ich fort.
    »Ich warte auf Signor Dioguardi, der mich hier auf dem Kommissariat abholen wollte. Ist er bei Ihnen im Büro?«
    »Nein, heute war er nicht hier. Er schaut vielleicht später noch einmal vorbei. Kann ich ihm etwas ausrichten, Signor Commissario?«
    Ihr »Signor Commissario« rührte und beruhigte mich. Obwohl ich mich so unmöglich benommen hatte, behandelte sie mich mit Respekt. Oder fürchtete sich sogar vor mir, was noch besser wäre.
    »Nein danke. Vielleicht komme ich später mit Signor Dioguardi vorbei.«
    Sie sagte wieder nichts, und ich beendete das Gespräch grußlos.
    Nach dem Telefonat hatte ich ein blödes Gefühl. Um mich abzusichern, rief ich bei Paola an, die selbst an den Apparat ging.
    »Ich gebe ihn dir, Michele. Wir sind eben erst aufgewacht, aber er ist schon auf dem Sprung.«
    »Okay, bis später.«
    »Michele, was ist los?« Angelo hörte sich besorgt an.
    »Nichts. Ich wollte nur sichergehen, dass du nicht vergisst, mich abzuholen. Im Büro habe ich auch schon angerufen, weil ich dachte, du seist vielleicht dort. Elisa war am Apparat.«
    Einen Moment war er sprachlos. »Bist du sicher, dass du mich sprechen wolltest? Wie auch immer, in fünf Minuten mache ich mich auf den Weg, und in weiteren fünf Minuten bin ich bei dir.«
    Zehn Minuten später, es war erst kurz nach fünf, war er da. Er hatte das Verdeck seines alten Cinquecento abgenommen. Die Hitze war infernalisch, und es stank nach Schweiß, Bier und Gitanes.
    Da kaum etwas los war, brauchten wir nur ein paar Minuten bis zur Via della Camilluccia. Die Straße lag still und ruhig im Schatten der prächtigen Bäume.
    »Eine rauche ich noch, bevor wir hochgehen«, sagte Angelo, und so schlenderten wir mit brennenden Zigaretten auf das grüne Gittertor zu. Die Pförtnerin sah uns feindselig an, aber wir rauchten draußen weiter.
    »Was machen Sie denn hier, Signora Gina? Heute ist doch Sonntag«, fragte Angelo.
    »Ich packe meine Sachen, weil ich heute Abend noch verreise.«
    »Schauen Sie sich das Endspiel gar nicht an?«
    »Was interessiert mich das Endspiel, ihr seid doch alle verrückt. Ich fliege nach Indien.«
    »Nach Indien? Und was machen Sie da?«, fragte ich überrascht.
    Gina sah mich tadelnd an. »Junger Mann, das mag Ihnen vielleicht komisch vorkommen, aber ich verrichte dort jedes Jahr zwei Wochen ehrenamtliche Arbeit. Cardinale Alessandrini organisiert die Reise, und ich berichte ihm hinterher, wie es dort läuft.«
    »Haben Sie Elisa gesehen?«, fragte Angelo, auch um einem unpassenden Kommentar meinerseits zuvorzukommen.
    »Elisa hockt schon seit heute Morgen im Büro und schuftet, das arme Mädchen. Nur eine kurze Mittagspause hat sie gemacht. Ich habe gesehen, wie sie mit Valerio zurückkam. Vor einer halben Stunde hat sie mich angerufen, und ich bin kurz zu ihr hoch, um die Sachen für Cardinale Alessandrini abzuholen.«
    »Danke, Signora Gina«, sagte Angelo. »Wir sehen dann mal beim Kardinal nach dem Rechten. Elisa kann eigentlich nach Hause gehen.«
    »Da ich nicht riskieren möchte, verhaftet zu werden, warte ich lieber hier unten, Angelo.«
    Er warf mir einen mahnenden Blick zu. »Denk dran, ich kann dich von der Terrasse des Kardinals aus sehen, mach also keinen Unsinn.« In der Tat lag die Terrasse von Villa B zwar weit weg, war aber vom Tor aus gut sichtbar. Und umgekehrt. Pech gehabt.
    »Ich rühr mich keinen Millimeter vom Fleck, ich schwöre«, versprach ich mit gekreuzten Fingern.
    Angelo ließ mich mit Signora Gina allein. Ich rauchte vor dem Tor, und sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher