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Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
Autoren: Doris Niespor
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vielleicht etwas ernsthafter an die
Sache heran.“
    Das war so ungerecht. Swantje musste nur an ihren magischen
Fähigkeiten feilen, aber sie, als Anouks Stellvertreterin, musste all
das diplomatische Zeug lernen, Namen, Stände, Beziehungen
zueinander. Da sollte man in der Freizeit nicht einmal baden
gehen dürfen?
    Julie starrte auf ihre Hände. Wenigstens schien Anouk nichts von
dieser anderen Sache zu wissen. Aber die Erleichterung über
Mathys Verschwiegenheit hielt nicht lange an, denn ihr war die
Bedeutung dieser Standpauke bewusst geworden.
    Anouk war im Recht. Sie musste Mathys nicht nur gestehen, dass
sie noch immer nicht soweit war. Sie würde auch in Zukunft
weniger Zeit mit ihm verbringen können, um mehr Zeit zum
Üben zu haben.
    Lautes Geschimpfe riss Julie aus ihren finsteren Gedanken. Das
Gagerweibchen stupste den Geschundenen unsanft mit dem Ende
der Rute in die Seite und rief: „Sohn Röwe, schnapp´ dir dein
Bündel und geh in den Stall!“
Der Angesprochene ignorierte den drohenden Tonfall. „Ich heiße
nicht Röwe, ich will…“
    „Arghh!“ Mit einem wütenden Aufschrei stob das Weibchen
erneut auf ihren seltsam glänzenden Sohn zu und prügelte wild
auf ihn ein, bis er, vor den Schlägen flüchtend, die Stalltür hinter
sich schloss.
„Da siehst du es, Bruder Hafer! Man kann nichts anfangen mit
dem Jungen, er hat weniger Verstand als ein Füllen.“
    Julie war sich nicht ganz sicher, schmunzelte der Gager? Und
wieso nannte das Weibchen ihn immer Hafer? Langsam schwante
Julie, dass die Bezeichnung "der Gager" in Tallyn- Stadt nur
funktionierte, weil der Stallaufseher dort der einzige Gager war.
Sie wechselte vom Striegel zum Hufkratzer und kümmerte sich
um Gos Hufe. In eine Familienangelegenheit mischte man sich
besser nicht ein.
    Mit hängenden Schultern, die vorn schon völlig zerfaserte Rute
noch immer in der Hand, sank Äpfelchen auf den Rand der
nächsten Pferdetränke und seufzte.
„Du musst das nicht tun, Bruder Hafer. Ich weiß, der Junge ist als
Lehrling eine Zumutung!“
    „Passt schon.“ Der Gager streckte seiner Schwester den langen
Arm hin. „Komm, wir schauen uns die Pferde auf der
Sommerweide an, dann kannst du dich beruhigen.“
    Julie schaute den Halmdürren Gestalten noch eine Weile nach,
dann nahm sie den fertig geputzten Hengst Go an der Trense, um
ihn in die Box zu bringen.
    Im Stall war es dämmerig. Wenn Julie erwartet hatte, den armen
Gager hinter der Tür zu finden, sah sie sich getäuscht. Weit und
breit war nichts zu sehen. Achselzuckend führte sie ihr Pferd den
langen Gang hinunter; seine Box war ganz am anderen Ende des
riesigen Stalls. Erst als Go schon zufrieden seine Heuhalme
zermalmte, hörte Julie die glucksenden, schniefenden Geräusche.
Wo kam das her? Sie trat aus der Box und legte den Holzbalken
sorgsam wieder vor.
    Ihr Hengst würde wahrscheinlich nicht einfach aus dem Stall
spazieren, aber sicher war sicher. Die Geräusche schienen aus der
niedrigen Nische links zu kommen- da war doch gar nichts mehr,
außer den ausgemusterten Wagenteilen - hatte sich der Gager
dort verkrochen? Die klagenden Töne verdichteten sich zu
herzzerreißendem Gejammer. Julie tastete sich durch das
Halbdunkel. Da sah sie ihn: Röwe hockte auf dem staubigen
Boden, die langen Beine angezogen und die Knie mit den Armen
so weit über Kreuz umschlungen, dass die Hände schon wieder
auf dem haarigen Rücken lagen. Der Gager heulte Rotz und
Wasser. Sein glänzender Pelz war voller Stroh und Spinnweben.
Julie beugte sich langsam herunter und zog behutsam eine der
Spinnweben aus dem Fell am Knie.
„Hi, ich bin Julie.“
    „Ich bin…“ Der Gager verstummte kurz. „Es ist so unfair!“ heulte
er dann auf. „Immer nennt sie mich Röwe. - Röwe! Weißt du was
das heißt? Das heißt Rübe! Ich kann doch nicht Rübe heißen,
schließlich bin ich ein Künstler!“
    Julie musste ein Lächeln unterdrücken.
„Ich dachte, Gager hätten immer Pferdeberufe?“
    „Huhuhu, dass ist es ja, alle wollen dass ich etwas mit Pferden
mache. Ist ja nicht so das ich keine Pferde mag, ich beschäftige
mich nur lieber mit anderen Dingen." Er schniefte. "Malerei, zum
Beispiel.“
Julie kicherte. Sie war ganz sicher nicht diejenige mit den
schrägsten Problemen.
    Aufgebracht hob der Gager den Kopf.
„Was ist daran so komisch?“
„Ach nichts, ich wusste nur nicht- ist ja auch egal. Wie soll ich
dich denn nennen, wenn du nicht Röwe heißen willst?“
    Das Gewirr aus Haaren
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