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Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
Autoren: Doris Niespor
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ein fauler Zauber?" rief Meike Bant. "Faller,
das darf sie nicht, tu doch etwas."
     
Mathys Ziehvater sprang auf Tari zu, zerrte an ihrem Arm,
aber in diesem Moment rieb Mathys sich die Augen und sagte:
    "Julie?!“ Er sank auf ein Knie, wie ein Held der zum Ritter
geschlagen wird, doch froh sah er nicht aus. Er hielt sich den
Kopf, stöhnte. „Julie."
Julie wollte zu ihm laufen, doch der Merlin hielt sie zurück.
"Lass ihn", flüsterte er. "Das Erinnern kann ziemlich
schmerzhaft sein."
    Julie gehorchte, und während sie Mathys ansah, der noch
immer am Boden kniete, spürte sie, wie die eisige Schicht um ihre
Seele herum begann aufzutauen. Die ganzen Gefühle, die sie
vorhin in Spitzen nach Taris seltsamer Dankesbekundung erlebt
hatte, wogten nun in ihrer ganzen Stärke über sie herein, wie der
Sturm in das Blätterdach eines Waldes fährt.
    Ein Gefühl überwog alles andere.
Scham.
Beinahe hätte sie Tari geopfert. Was war eine Welt wert, in
der man das Leben Einzelner gering schätzte?
    Und damit nicht genug. Wegen ihrer Überheblichkeit war
der Südstein verloren gegangen, das Artefakt, welches Mathys
das Leben gekostet und ihnen allen so viel Leid gebracht hatte.
Leichtfertig war sie gewesen, und eiskalt.
    Sie konnte sich nichts vormachen. Julie erschauerte. Die
missglückten Vereinigungen waren nicht die Keimzelle dieser
eiskalten Seite von ihr gewesen, sie hatten die dunklen Anteile in
ihrer Seele nur verstärkt.
Sie schnappte nach Luft, Tränen strömten über ihre
Wangen.
     
Mathys war aufgestanden, sah sie an. Tari stand neben ihm,
strahlte.
     
Und dann lag Julie in seinen Armen.
     
Er roch nicht mehr wie ein Kind, wie noch vor einem Jahr.
Er roch wie Mathys.
     
Alles andere versank.
     
*
    Selbst die Mittsommernachtssonne verlor irgendwann an
Kraft, und so saß Julie am Ufer des Drachenbaches in der
Dämmerung
    Wie lange hatte sie heute geweint? Sie wusste es nicht.
Lange genug jedenfalls, um all die Krusten der Gefühllosigkeit
von ihrer Seele fortzuspülen. War sie wieder die Alte, oder hatte
sie sich verändert? Julie sah an sich hinunter.
    Das rubinrote Kleid, das sie trug, war tief ausgeschnitten
und brachte den Ansatz ihres Busens gut zur Geltung, der ihr
jetzt gar nicht mehr so klein vorkam. Der schimmernde Stoff
umschloss eng ihre schmale Taille und fiel dann in weiten Bögen
bis auf das grüne Gras herab.
    Sie war stolz darauf, so gut auszusehen, denn die knappe
Stunde, die Mathys bei den Sanders, seinen echten Eltern,
verbracht hatte, war für das Anziehen, Umziehen, Kämmen und
wieder Umziehen draufgegangen. Das war ganz schön knapp
gewesen, aber sie wollte unbedingt schön sein, für ihn.
Er hatte sie so lange nicht gesehen.
     
Nicht mehr lange, und Mathys würde kommen, hier neben
ihr am Drachenbach sitzen. Wie sie ihn vermisst hatte.
    Vielleicht war sie äußerlich bis auf die Narbe noch dieselbe,
innerlich war sie es sicher nicht. Würde er ihr heute noch einmal
ein Eón- Bak anbieten, sie nähme es, ohne zu zögern.
    "Julie!"
"Mathys!"
Da war er. Lächelte. Sah sie an. Sah sie wirklich an. So, als
wäre sie die Seine. So, wie es sein musste.
     
Er setzte sich neben ihr ins Gras.
    Julies Hände begannen zu zittern. Sie musste ihm das mit
dem Südstein sagen, und dann würde er sauer auf sie sein. Zu
Recht.
„Was ist denn? Geht es dir nicht gut?“ fragte Mathys.
Dieser Blick, wie sie seine Augen vermisst hatte. Julie
schüttelte den Kopf.
     
„Doch, alles in Ordnung.“
    Sie würde es ihm sagen. Aber nicht heute Abend. Diese
Stunden gehörten nur ihr und ihm, waren ihre Belohnung für das
lange, lange Warten.
    "Du bist wunderschön", flüsterte Mathys. Mit seinen
warmen Händen strich er ihr erst über den Rücken, dann den
Arm hinauf und über die nackte Haut an ihrem Hals. Behutsam
drückte er sie nach hinten, bis beide im weichen Gras lagen.
Mathys beugte sich über sie.
    Ein Zittern durchlief Julie. Sie war nicht mehr die
Fünfzehnjährige, die sich vor seiner Berührung fürchtete. Sie
genoss seine Wärme mit allen Sinnen. Dennoch war sie verwirrt.
Sie wusste, seine Seele war die eines Mittdreißigers, aber sein
Körper war der eines knapp Sechzehnjährigen.
    Er schien zu spüren, was in ihr vorging.
Lächelte sie an, wie nur Mathys es konnte.
"Schließ einfach die Augen, dann merkst du, dass ich es
bin", sagte er.
     
Und Julie schloss die Augen.
     
Ende
     
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