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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten
Autoren: Franz Kafka
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. ), alles, was sich
    in seinem Nachlaß fände, „ausnahmslos am liebsten un-
    gelesen“ zu verbrennen: „Von allem, was ich geschrie-
    ben habe gelten nur die Bücher: Urteil, Heizer, Ver-
    wandlung, Straolonie, Landarzt und die Erzählung:
    Hungerkünstler … Wenn ich sage, daß jene  Bücher
    und die Erzählung gelten, so meine ich damit nicht, daß
    ich den Wunsch habe, sie mögen neu gedruckt und
    künigen Zeiten überliefert werden, im Gegenteil, soll-
    ten sie ganz verloren gehn, entspricht dieses meinem
    eigentlichen Wunsch. Nur hindere ich, da sie schon ein-
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    mal da sind, niemanden daran, sie zu erhalten, wenn er
    dazu Lust hat.“
    Fast war es jenes in der ,Sorge des Hausvaters‘ ent-
    fachte Spiel zwischen dem Sorgenkind Odradek und
    dem Hausvater, der diesem seine Identität zu entlocken
    sucht, das Kaa und Max Brod, das aber auch Kaa
    und seine Verleger, ja das Kaa und die literarische Öf-
    fentlichkeit selbst spielten: die Verleger Rowohlt und
    Wolff zuerst, wo der Autor, kaum war ihm die Druck-
    zusage abgerungen, diese gleich wieder „ungeschehen“
    zu machen hoe (Tagebucheintragung vom . .
    ); dann, nachdem Rowohlt den Verlag verlassen
    hatte, Wolff allein, der immer wieder Werbebriefe
    schrieb, um seinem Autor ein Stück Text abzulocken,
    und dem Kaa (trotz des Bemühens der Verlage Reiß
    und Cassirer) die Treue hielt – bis zu dem letzten Erzäh-
    lungenband, der im Verlag Die Schmiede in Berlin er-
    schien. Eine Schlüsselrolle für die Publikation von Kaf-
    kas Texten spielte Kurt Wolffs erfolgreiche Buchreihe
    ,Der jüngste Tag‘, in der fast alle wichtigen Autoren des
    Expressionismus ihre Texte veröffentlichten, und in der
    ,Der Heizer‘, ,Das Urteil‘ und ,Die Verwandlung‘ (zum
    Teil in wiederholten Auflagen) erschienen.
    Kaas Publikationspraxis erwächst, so könnte man
    sagen, aus der Besonderheit dieser zwiespältig besetzten,
    geradezu von einer Doppelbindung beherrschten Pro-
    duktionssituation. Manchmal scheint es, als sei Kaas
    [  ]
    Schreiben und Wertvorstellung durch Gattungskonzepte
    gesteuert; so wenn er im Zusammenhang mit seinen
    Romanen am . September  im Tagebuch von den
    „Niederungen des Schreibens“ spricht (und demgemäß
    denn auch keinen der Romantexte für die Publikation
    vorsieht), und solchem Schreiben dann das Glücken ei-
    nes Schöpfungsaugenblicks (die Nacht des ,Urteils‘) ent-
    gegenstellt: als den „Durchbruch“ zur Literatur. Aber
    zuletzt sind es wohl doch die Eigentümlichkeiten des
    zwischen Äußerungslust und mystischer Versenkung
    spielenden Schreibprozesses selbst, die auf das Publi-
    kationsgebaren Kaas einwirken. So werden aus dem
    Schreibstrom, dem er sich in nächtlicher Arbeit anver-
    traut, unverho einzelne, o winzige Partikel ausgeho-
    ben und zögernd, geradezu eifersüchtig der Öffentlich-
    keit zugestellt: Miniaturen, manchmal nur ein einziger
    Satz, aus dem umfangreichen Manuskript der ,Beschrei-
    bung eines Kampfes‘ zum Beispiel; dann die sogenannte
    ,Prozeß‘-Parabel aus dem großen Konvolut des Roman-
    fragments; das ,Heizer‘-Kapitel aus dem unvollendeten
    Roman ,Der Verschollene‘; und dann, in einem faszinie-
    renden Vorgang des Ans-Licht-Bringens und des gleich-
    zeitigen Ausstreichens, die Verwandlung des sich ver-
    knäuelnden Schreibstroms der sogenannten „Oktav-
    hee“ in die Erzählungen des Sammelbandes ,Ein Land-
    arzt‘: die Gestaltwerdung und Reifung des ,Berichts für
    eine Akademie‘ zu einem „Werk“, aus einer Kette von
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    Varianten „entbunden“; und, demgegenüber, die Aus-
    merzung so vollkommener Stücke wie ,Das Schweigen
    der Sirenen‘ und ,Prometheus‘, die, von Kaa gestri-
    chen, erst durch Brods Publikation und nachträgliche
    Titelgebung zu „Werken“ der Literatur, ja zu Schlüssel-
    texten seiner Wirkung wurden.
    Das Spiel von Verkettung, Verwerfung und Textisola-
    tion, das die Manuskripte spielen, setzt sich fort, wenn
    Kaa sich schließlich doch zur Publikation entschlossen
    hat. So nimmt er sich vor, ,Heizer‘, ,Urteil‘ und ,Ver-
    wandlung‘ unter dem Titel ,Die Söhne‘ zu einem Band
    von Erzählungen zu vereinen, verwir diesen Plan und
    erprobt für einen neuen, seinerseits flüchtigen Augen-
    blick die Zusammenstellung von ,Urteil‘, ,Verwandlung‘
    und ,In der Straolonie‘ zu einem Sammelband ,Stra-
    fen‘.
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