Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
zu
    haben … Jetzt aber wäre ich natürlich glücklich, wenn
    Ihnen die Sachen auch nur soweit gefielen, daß Sie sie
    druckten.“
    Immer wieder, bis zu dem ,Landarzt‘-Band von ,
    wird Franz Kaa seine Freude über die vom Verlag für
    ,Betrachtung‘ gewählte große, schöne Schri und die
    gepflegte, um nicht zu sagen luxuriöse Ausstattung zu
    erkennen geben, so wie zuvor bereits über „Englisch
    Velin“ oder „Kaiserlich Japan“ der Zeitschri ,Hype-
    [  ]
    rion‘, in der sein allererster Druck vorlag. Seine Texte
    brauchten, heißt es in einem Brief, um sich entfalten zu
    können, „ganz freien Raum um sich“ (am . .  an
    den Kurt Wolff Verlag). Andererseits dann aber die Ver-
    senkung in den aller Welt entrückten Schreibakt: Man
    weiß von Kaas eingezogenem und selbstvergessenem
    nächtlichen Schreiben, das nichts ist als Hingabe und
    Verströmen. „Nur so kann geschrieben werden, nur in
    einem solchen Zusammenhang, mit solcher vollständi-
    gen Öffnung des Leibes und der Seele“, versichert Kaa
    sich selbst in der auf die Niederschri des ,Urteils‘
    folgenden Tagebucheintragung vom . September .
    Wenige Monate zuvor schon, am . Januar, hatte er
    notiert: „Als es in meinem Organismus klar geworden
    war, daß das Schreiben die ergiebigste Richtung meines
    Wesens sei, drängte sich alles hin und ließ alle Fähigkei-
    ten leer stehn, die sich auf die Freuden des Geschlechtes,
    des Essens, des Trinkens, des philosophischen Nachden-
    kens der Musik zu allererst richteten. Ich magerte nach
    allen diesen Richtungen ab.“
    Und noch kurz vor seinem Tod wird er an den jungen
    Medizinstudenten Robert Klopstock schreiben (in ei-
    nem Brief vom Ende März ): „… und dieses Schrei-
    ben ist mir in einer für jeden Menschen um mich grau-
    samsten … Weise das Wichtigste auf Erden, wie etwa
    einem Irrsinnigen sein Wahn … oder wie einer Frau ihre
    Schwangerscha.“
    [  ]
    Zwischen Öffnung und Selbstversenkung, zwischen
    der Lust an der Schri, die vor der Welt erscheint, und
    der fast bewußtlosen Hingabe an die über das Papier
    gleitende Hand wird alle Zwiespältigkeit von Kaas
    „Zögern vor der Geburt“ (Tagebucheintragung vom
    . . ) des Textes wahrnehmbar. Da gibt es das
    freudige Vorlesen des eben Geschriebenen im engsten
    Kreis der Schwestern (wie am Morgen nach der Entste-
    hungsnacht des ,Urteils‘); da gibt es den Vortrag neuer
    Texte im Zirkel der Freunde, begleitet vom Lachen des
    Vorlesenden, so daß dieser, wie Brod berichtet, „weil-
    chenweise nicht weiterlesen konnte“; aber da gibt es
    auch die Lesung vor geladenen Hörern, wie im Fall des
    ,Urteils‘ in der Herder-Vereinigung zu Prag am . De-
    zember  oder der ,Straolonie‘ im Kunstsalon
    Goltz in München am . November . Und es gibt
    schließlich die ausdrückliche Markierung des gedruckten
    Textes „nach außen“, als ein „Geleiten“ in die Welt der
    Öffentlichkeit: durch die Widmungen, gleichsam die Er-
    schaffung des Adressaten als Rechtfertigungsgrund des
    publizierten Textes: so die Zueignung der ,Betrachtung‘
    () an den Freund Max Brod, des ,Urteils‘ () an
    die Verlobte Felice Bauer, des ,Landarzt‘-Bandes ()
    an den Vater Hermann Kaa. Erst der letzte Erzählun-
    genband Kaas, ,Ein Hungerkünstler‘ (), dessen
    Korrekturfahnen er noch liest, dessen Erscheinen er
    aber nicht mehr erlebt, wird ohne Widmung bleiben,
    [  ]
    allein aus der freien Verantwortung des Autors ans Licht
    der Öffentlichkeit treten.
    Kaas Werk muß im Zeichen solchen Zögerns zwi-
    schen Verhehlung und Publikation des Geschriebenen
    gelesen werden. Dieser ambivalente Gestus gehört zum
    Wesen seines Schreibens wie seines Verhältnisses zur
    Welt. So könnte man auch sagen: Das zu Lebzeiten
    Kaas Veröffentlichte bildet nur die Spitze eines Eis-
    berges, ein Fünel nur dessen, was nach dem Willen
    des Autors der Nachwelt ohnehin vorzuenthalten war.
    In seinen „Testamenten“ hatte er Max Brod, dem
    Freund und Verwalter des Nachlasses, die Vernichtung
    des Unpublizierten und das der Vergessenheit Überant-
    worten des Publizierten zugemutet; hatte ihm, dem
    Autor und Freund, die Wahl zwischen der Rolle des
    Judas oder des Johannes überlassen. Er forderte von
    ihm (im „Testament“ vom .
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher