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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten
Autoren: Franz Kafka
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auch nach diesem Anblick das geringste Ver-
    langen zu haben. Samuel würde ja schließlich meinen
    Kopf an seiner Brust dulden, wenn ich dort weinen
    wollte, aber können mir beim Anblick seines männli-
     chen Gesichts, seines knapp wehenden Spitzbartes, sei-
    nes zusammengeklappten Mundes – da höre ich schon
    auf – können mir denn ihm gegenüber die erlösenden
    Tränen in die Augen kommen?
    (Fortsetzung folgt)
    [  ]
    Großer Lärm
    Ich sitze in meinem Zimmer im Hauptquartier des
    Lärms der ganzen Wohnung. Alle Türen höre ich schla-
    gen, durch ihren Lärm bleiben mir nur die Schritte der
    zwischen ihnen Laufenden erspart, noch das Zuklappen 
    der Herdtüre in der Küche höre ich. Der Vater durch-
    bricht die Türen meines Zimmers und zieht im nach-
    schleppenden Schlafrock durch, aus dem Ofen im Ne-
    benzimmer wird die Asche gekratzt, Valli fragt, durch
    das Vorzimmer Wort für Wort rufend, ob des Vaters Hut 
    schon geputzt ist, ein Zischen, das mir befreundet sein
    will, erhebt noch das Geschrei einer antwortenden Stim-
    me. Die Wohnungstüre wird aufgeklinkt und lärmt, wie
    aus katarrhalischem Hals, öffnet sich dann weiterhin mit
    dem Singen einer Frauenstimme und schließt sich end- 
    lich mit einem dumpfen, männlichen Ruck, der sich am
    rücksichtslosesten anhört. Der Vater ist weg, jetzt be-
    ginnt der zartere, zerstreutere, hoffnungslosere Lärm,
    von den Stimmen der zwei Kanarienvögel angeführt.
    Schon früher dachte ich daran, bei den Kanarienvögeln 
    fällt es mir von neuem ein, ob ich nicht die Türe bis zu
    einer kleinen Spalte öffnen, schlangengleich ins Neben-
    [  ]
    zimmer kriechen und so auf dem Boden meine Schwe-
    stern und ihr Fräulein um Ruhe bitten sollte.
    [  ]
    Aus Matlárháza. In Matlárháza ist gegenwärtig eine
    kleine Ausstellung von Tatra-Bildern von Anton Holub
    zu sehen, die lebhae Aufmerksamkeit findet und ver-
    dient. Unter den Aquarellen scheinen uns jene aus
    abendlichen Stimmungen mit ihrem düsteren Ernst den 
    Vorzug zu verdienen, während die Ansichten aus sonni-
    gen Tagen bei aller Feinheit der Töne eine gewisse Er-
    denschwere noch nicht überwinden können. Vor allem
    aber gefallen die Federzeichnungen. Mit ihrem zarten
    Strich, ihrem perspektivischen Reiz, ihrer wohlbedach- 
    ten bald holzschnittmäßigen, bald mehr der Radierung
    angenäherten Komposition sind es erstaunlich achtungs-
    werte Leistungen. Gerade solche treue, dabei persönlich
    betonte Bilder sind mehr als alles andere imstande, den
    Blick für die Schönheit unserer Berge zu öffnen. Wir 
    würden uns freuen, wenn von diesen Arbeiten bald eine
    größere und auch einem größeren Publikum zugängliche
    Ausstellung veranstaltet würde.
    [  ]
    Der Kübelreiter
    Verbraucht alle Kohle; leer der Kübel; sinnlos die Schau-
    fel; Kälte atmend der Ofen; das Zimmer vollgeblasen
    von Frost; vor dem Fenster Bäume starr im Reif; der
     Himmel, ein silberner Schild gegen den, der von ihm
    Hilfe will. Ich muß Kohle haben; ich darf doch nicht
    erfrieren; hinter mir der erbarmungslose Ofen, vor mir
    der Himmel ebenso; infolgedessen muß ich scharf zwi-
    schendurch reiten und in der Mitte beim Kohlenhändler
     Hilfe suchen. Gegen meine gewöhnlichen Bitten aber ist
    er schon abgestump; ich muß ihm ganz genau nach-
    weisen, daß ich kein einziges Kohlenstäubchen mehr ha-
    be und daß er daher für mich geradezu die Sonne am
    Firmament bedeutet. Ich muß kommen, wie der Bettler,
     der röchelnd vor Hunger an der Türschwelle verenden
    will und dem deshalb die Herrschasköchin den Boden-
    satz des letzten Kaffees einzuflößen sich entscheidet;
    ebenso muß mir der Händler, wütend, aber unter dem
    Strahl des Gebotes „Du sollst nicht töten!“ eine Schaufel
     voll in den Kübel schleudern.
    Meine Auffahrt schon muß es entscheiden; ich reite
    deshalb auf dem Kübel hin. Als Kübelreiter, die Hand
    [  ]
    oben am Griff, dem einfachsten Zaumzeug, drehe ich
    mich beschwerlich die Treppe hinab; unten aber steigt
    mein Kübel auf, prächtig, prächtig; Kameele, niedrig am
    Boden hingelagert, steigen, sich schüttelnd unter dem
    Stock des Führers, nicht schöner auf. Durch die fest 
    gefrorene Gasse geht es in ebenmäßigem Trab; o werde
    ich bis zur Höhe der ersten Stockwerke gehoben; nie-
    mals sinke ich bis zur Haustüre hinab. Und außerge-
    wöhnlich hoch schwebe ich vor dem
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