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Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Titel: Drowning - Tödliches Element (German Edition)
Autoren: Rachel Ward
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und presst sie ihr auf die Brust. Er drückt so fest, dass sich ihr ganzer Körper bewegt, ihr Kopf vor und zurück schwingt.
    Er versucht sie zu retten.
    Er schwitzt vor Anstrengung. Die Sonne knallt vom Himmel und Dampf steigt von dem nassen Boden um mich herum auf, aber ich spüre nur die Wärme auf meinem Gesicht, das Prickeln der feuchten Haut. Ich schaue nach unten. Eine Schicht Jacken deckt mich zu.
    Jemand drückt meine Hand.
    »Wie heißt du, mein Junge?« Die Stimme einer Frau.
    Ich kann mich nicht erinnern. Ich erinnere mich nur an den Namen des Mädchens. Den Namen meiner Freundin. Neisha. Ich drehe meinen Kopf wieder zu ihr.
    »Keine Sorge«, sagt die Frau und drückt mir noch einmal die Hand. »Der Krankenwagen kommt gleich. Alles wird gut.«
    Neishas Kopf schwingt vor und zurück. Ihre Augen sind geschlossen.
    »Schon gut. Alles wird gut.«

EINUNDDREISSIG
    Ich war noch nie zuvor auf einer Beerdigung.
    Es sind mehr Leute da, als ich geglaubt hätte, doch während wir warten, dass es losgeht, kann ich nur an die denken, die nicht da sind.
    Ich sitze mit Mum und Tante Debbie vorn in der ersten Reihe. Ich bin direkt aus dem Krankenhaus hergekommen, in Sachen, die der Sozialarbeiter für mich gefunden hat. Es ist nicht kalt hier, aber ich zittere und schwitze gleichzeitig. Die Wunden an den Beinen und an der Schulter haben sich entzündet. Man hat mir Antibiotika gegeben, aber ich glaube, die haben noch nicht angeschlagen. Ich fahre mir mit einem Taschentuch übers Gesicht.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragt Mum. Sie sieht aus wie der wandelnde Tod.
    »Ja«, sage ich. »Ist nur –«
    Ich spreche nicht weiter. Die Flügeltür geht auf. Der Sarg wird hereingebracht. Eine glänzende hölzerne Kiste, von sechs Männern in schwarzem Anzug getragen.
    Mum fängt an zu weinen.
    »Ich schaff das nicht. Ich –«
    Ich will ihr meinen Arm um die Schulter legen. Aber Debbie auf der anderen Seite kommt mir zuvor, hält Mum fest und zieht sie von mir weg. Also sitze ich da, allein, und schaue, wie sie ihn hereintragen.
    Die Nackenhaare stehen mir zu Berge.
    Ich habe Angst. Angst vor diesem Ort, vor dem, wie alles hier abläuft wie eine gut geölte Maschine. Das Ende des Fadens spult ab und wir können es nicht aufhalten.
    Ich denke daran, dass ich in der Kiste liegen könnte. Zuerst nach dem, was am See passiert ist, und dann nach dem, was in Neishas Haus war. Ich war nahe dran. Und eines Tages werde ich es auch sein, der dort liegt. Und vielleicht habe ich davor Angst. Vor dem Ende. Meinem Ende. Es gibt kein Entkommen.
    Die Trauerfeier beginnt und ich folge dem, was alle anderen tun, drehe mich um und schaue, wann ich mich setzen und wann ich aufstehen muss. Ich singe nicht, bete nicht. Beobachte nur, höre zu. Lasse es geschehen. Wir kommen ans Ende. Man hat mir gesagt, was geschehen wird. Ein Vorhang wird zugezogen. Und der Sarg gleitet unsichtbar fort.
    Einer der Lehrer von meiner Schule geht nach vorn und spricht über Rob. Schule? Will der mich verarschen? Rob hat die Schule gehasst und die Schule ihn. Er war fast nie dort. Der Lehrer müht sich ab, irgendetwas Positives zu sagen. Worte wie lebhaft und temperamentvoll kotzt er heraus. Codeworte. Jeder versteht sie.
    Es gibt ein bisschen zustimmendes Geraune, als er zu seinem Platz zurückgeht. Jemand sagt: »Gut gemacht.«
    Der Pfarrer dankt ihm und fordert uns auf, zu beten.
    Und plötzlich weiß ich, dass das hier alles verlogen ist. Die Trauerfeier, die Leute, die Worte, sie haben überhaupt nichts mit ihm zu tun.
    Ich merke, wie ich nach vorn gehe. Ich lege meine Hand auf den Sarg, lasse sie dort ruhen. Dann drehe ich mich zu den anderen um. Ihre gesenkten Köpfe schauen jetzt auf, die Bewegung schwappt durch die Kirche. Der ganze Raum schweigt. Sieht mich an. Wartet.
    »Mein Bruder liegt hier drin«, sage ich.
    Mum in der ersten Reihe hat aufgehört zu weinen. Sie und Tante Debbie sehen mich mit offenen Mündern an. Ein paar Reihen dahinter entdecke ich Harry, er sitzt nicht weit weg von dem Lehrer und zwei Polizisten. Der Rest der Kirche ist mit Leuten in meinem Alter gefüllt, Jugendlichen, die nie unsere Freunde waren.
    Ich will ihnen alles erzählen. Die Wahrheit. Die Geschichte unserer Leben. Wie es immer nur ihn und mich gab, von Anfang an. Wie wir verprügelt wurden. Wie er auf mich aufgepasst hat. Ich will von den Abenteuern erzählen, die wir zusammen erlebt haben. Von dem Ärger, den wir gemacht haben. Von Iris und ihrem Hund. Ich will ihnen
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