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Driver

Driver

Titel: Driver
Autoren: James Sallis
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darstellen sollte. Der Schulhoftyrann machte sich oft einen Spaß daraus, mit dem Mittelfinger gegen die Ohren anderer Schüler zu schnipsen. Als er es diesmal bei Driver versuchte, fing der mit einer Hand sein Handgelenk mitten in der Bewegung ab. Mit der anderen Hand griff er nach und brach dem Jungen ganz langsam den Daumen.
    Herbs andere Leidenschaft war, auf einer Piste draußen in der Wüste zwischen Tucson und Phoenix Autorennen zu fahren, inmitten dieser wahrhaftig unheimlichen Landschaft mit ihren drei Meter hohen Mini-Hurrikanes, den Chollakakteen, die aussahen wie vom rechten Weg abgekommene Unterwasserpflanzen, und den Riesen-Saguaros, die zum Himmel zeigten wie die Finger von Menschen auf alten religiösen Gemälden. Die Rennstrecke war von einer Gruppe junger Hispanics angelegt worden, die, so erzählte man sich, von Nogales aus den Marihuana-Schmuggel kontrollierten. Herb war ein Außenseiter, jedoch wegen seiner Fähigkeiten als Fahrer und Mechaniker stets willkommen.
    Die ersten paar Male, die Driver mitkam, schickte Herb ihn mit Autos auf die Strecke, die er gerade erst bearbeitet hatte. Er wollte sehen, wie sie sich machten. Nachdem Driver aber erst einmal auf den Geschmack gekommen war, konnte er sich nicht mehr bremsen. Er fing an, alles aus den Autos herauszuholen, was in ihnen steckte. Schon bald wurde klar, dass er ein Naturtalent war. Von da an blieb Herb in der Box. Er nahm die Autos auseinander und baute sie wieder zusammen. Driver führte sie in die Welt hinaus.
    Auf der Rennstrecke lernte Driver auch Jorge kennen, seinen einzigen anderen guten Freund. Driver begann gerade erst herauszufinden, worin er wirklich richtig gut war, und staunte daher über jemanden wie Jorge, der scheinbar in allem perfekt war. Er spielte Gitarre und Akkordeon in einer örtlichen Conjunto und schrieb seine eigenen Songs. Er fuhr Autorennen, war ein guter Student, sang als Solist im Kirchenchor und arbeitete in einer sozialen Einrichtung mit Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen. Wenn der Junge noch ein Hemd besaß außer dem, das er in der Kirche trug, dann sah Driver ihn es zumindest nie tragen. Er hatte immer eines dieser altmodischen gerippten Unterhemden an, dazu schwarze Jeans und graue, abgetragene Cowboystiefel. Jorge wohnte in South Tucson, in einem merkwürdigen, häufig erweiterten Haus, das drei oder vier Generationen seiner Familie und eine unbestimmte Zahl von Kindern beherbergte. Dort saß Driver oft und futterte hausgemachte Tortillas, Bohnen, Burritos und Eintopf mit Tomatillos, umgeben von Leuten, deren Sprache er nicht verstand. Aber er war ein Freund von Jorge, also gehörte er ebenfalls zur Familie, gar keine Frage. Jorges uralte Großmutter kam immer als Erste auf die unbefestigte Straße herausgeeilt, um ihn zu begrüßen. Sie führte ihn dann hinein, fest bei ihm eingehakt, als schlenderten sie auf einer Promenade, und plapperte dabei die ganze Zeit aufgeregt auf ihn ein. Im Garten hinter dem Haus befanden sich meistens angetrunkene Männer mit Gitarren und Mandolinen, Geigen, Akkordeons, Trompeten, gelegentlich auch mal mit einer Tuba.
    Dort lernte er auch mit Waffen umzugehen. Spätabends versammelten sich die Männer und zogen zu Schießübungen in die Wüste, wobei Übung stark untertrieben war. Ein Sixpack Bier nach dem anderen und flaschenweise Buchanan’s Scotch trinkend ballerten sie auf alles in Sichtweite. Doch bei aller Unbekümmertheit nahmen sie ihre Waffen sehr ernst. Von ihnen lernte Driver, diese kleinen Maschinen zu respektieren. Er lernte, wie sie gereinigt und gewartet werden mussten. Er lernte, warum gewisse Handfeuerwaffen zu bevorzugen waren, welche Eigenheiten, welche Schwächen sie hatten. Einige der jüngeren Männer interessierten sich für andere Dinge, zum Beispiel für Kampfsportarten. Driver, stets ein aufmerksamer und lernwilliger Beobachter, schnappte auch von ihnen ein paar Dinge auf, genau wie Jahre später am Set bei den Stuntmen und Kampfdoubles.

31
    Er schaltete Nino an einem Montagmorgen um sechs Uhr aus. Laut Wetterbericht würde im Wochenverlauf das Thermometer auf milde achtundzwanzig Grad klettern, bei leichter Bewölkung aus Ost und einer Niederschlagswahrscheinlichkeit von vierzig Prozent. In Hausschuhen und einem dünnen Seersucker-Bademantel trat Isaiah Paolozzi in zweifacher Mission aus der Tür seines Hauses in Brentwood. Die L.A. Times von der Zufahrt aufheben. Die Rasensprenger einschalten. Egal, dass jeder dieser Rasensprenger
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