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Driver

Driver

Titel: Driver
Autoren: James Sallis
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oder? Und Cracker?
    Sie hatte ohnehin nie viel Bodenhaftung gehabt und entfernte sich immer weiter von ihnen, bis er schließlich begann, sie sich als irgendwie »losgelöst« vorzustellen, nicht über dieser Welt schwebend, sondern einfach mehrere Schritte links oder rechts neben ihr stehend.
    Und dann dieser Abend beim Essen, als der alte Herr Blut auf seinen Teller spuckte. Und gleich darauf ein Ohr daneben lag, wie ein Stück Fleisch. Drivers Sandwich bestand aus Pfefferminzmarmelade auf Toast. Seine Mutter legte behutsam zuerst das Fleisch-, dann das Brotmesser aus der Hand. Ordentlich nebeneinander. Nachdem sie sie jetzt nicht mehr brauchte.
    » Tut mir leid, Sohn. «
    Deckten sich seine Erinnerungen mit der Realität? Und wenn ja, warum hatte es so lange gedauert, bis sie ihm wieder ins Bewusstsein drangen? Konnte seine Mutter das wirklich so gesagt haben? Konnte sie so mit ihm gesprochen haben?
    Einbildung oder Erinnerung, lass es nicht aufhören.
    Bitte.
    » Wahrscheinlich habe ich jetzt für dich nur alles noch komplizierter gemacht. Was nicht das ist, was ich mir erhofft habe … Alles ist so verworren. «
    »Ich komm schon klar. Was wird jetzt mit dir passieren, Mom?«
    »Nichts, was nicht ohnehin längst passiert ist. Wenn es so weit ist, wirst du es verstehen.«
    Einbildung. Da ist er ziemlich sicher.
    Aber jetzt stellt er fest, dass er ihr etwas sagen will: dass er, obwohl doch so viel Zeit vergangen ist, noch immer nichts versteht.
    Dass er es nie verstehen wird.
     
    Derweil hatte er seinen neuen Schlitten zu seiner derzeitigen Behausung gefahren. Name: Blue Flamingo Motel. Bezahlt wurde wöchentlich; gab kaum sonst was in der Nähe. Ein großzügiger Parkplatz mit direkter Zufahrt zur Hauptstraße und dem Highway.
    Zum Eingewöhnen schenkte er sich drei Finger Buchanan’s ein. Verkehrslärm, Fernseher aus benachbarten Zimmern. Das Knallen von Skateboards draußen auf dem Parkplatz, der offensichtlich bei den Kids aus dem Viertel besonders beliebt war. Hin und wieder über ihm ein Hubschrauber der Verkehrsüberwachung oder Polizei. Das Scheppern der Rohre in den Wänden, wenn in den Nebenräumen Leute duschten oder zur Toilette gingen.
    Er nahm den Telefonhörer beim ersten Klingeln ab.
    »Wie ich höre, ist alles erledigt«, sagte der Anrufer.
    »So erledigt, wie’s geht.«
    »Seine Familie?«
    »Die schläft noch.«
    »Nino selbst hat nie viel geschlafen. Ich hab immer zu ihm gesagt, es ist das schlechte Gewissen, das mit seinen knochigen Fingern nach ihm greift. Er hat behauptet, er hätte keines.«
    Einen Augenblick Stille.
    »Du hast nicht gefragt, woher ich weiß, wo du bist.«
    »Das Klebeband unten an der Tür. Sie haben es wieder hingeklebt, aber es hat nicht mehr so gut gehaftet wie vorher.«
    »Du hast also gewusst, dass ich anrufe.«
    »Eher früher als später, davon bin ich ausgegangen – unter den gegebenen Umständen.«
    »Schon irgendwie bemitleidenswert, wir beide, oder? Um uns herum wimmelt es nur so von Hightech-Zeug, und wir verlassen uns immer noch auf ein Stück Klebeband.«
    »Ein Werkzeug ist so gut wie das andere, solange es seinen Zweck erfüllt.«
    »Ja, davon verstehe ich was. Bin selbst so was wie ein Werkzeug gewesen, mein ganzes Leben lang.«
    Driver schwieg.
    »Scheiß drauf. Dein Job ist erledigt, richtig? Nino ist tot. Was jetzt? Siehst du irgendeinen Grund, warum das so weitergehen sollte?«
    »Muss nicht sein.«
    »Heute Abend schon was vor?«
    »Nichts, was ich nicht auch verschieben könnte.«
    »Okay. Ich stell mir Folgendes vor: Wir treffen uns, trinken ein Glas zusammen, essen danach vielleicht was.«
    »Könnten wir machen.«
    »Kennst du das Warszawa ? Ein polnischer Schuppen, Ecke Santa Monica und Lincoln Boulevard.«
    Eine der hässlichsten Straßen in einer Stadt mit vielen hässlichen Straßen.
    »Werd’s finden.«
    »Es sei denn, du bestehst auf Pizza.«
    »Sehr witzig.«
    »Ja. War wirklich witzig. All die Coupons. Das Lokal – Warszawa, das hast du, ja? – teilt sich den Parkplatz mit einem Teppichladen, ist aber kein Problem, es gibt jede Menge Platz. Um sieben? Oder um acht? Was passt dir am besten?«
    »Sieben ist okay.«
    »Es ist ein kleines Lokal, es gibt keine Bar, wo man warten kann. Ich geh direkt rein, besorg uns einen Tisch.«
    »Klingt gut.«
    »Zeit, dass wir uns kennen lernen.«
    Driver legte den Hörer auf und schenkte sich einen weiteren Buchanan’s ein. Musste fast Mittag sein, schätzte er, die meisten anständigen Leute
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