Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Driver

Driver

Titel: Driver
Autoren: James Sallis
Vom Netzwerk:
eine frisch entdeckte Lebensform, die gerade ins grelle Sonnenlicht gezerrt worden war. Driver hatte das Buch in einem Antiquariat auf dem Pico gefunden und sich gefragt, was muffiger roch, der Pullover der alten Ladenbesitzerin oder die Bücher. Oder es war die alte Dame selbst. Alte Leute hatten manchmal diesen Geruch. Er hatte einen Dollar und zehn Cents bezahlt und war wieder gegangen.
    Aber er konnte nicht erkennen, dass der Film irgendwas mit diesem Buch zu tun hätte.
    Driver hatte in dem Film ein paar Szenen als Killer gespielt. Der Held haute darin heimlich aus Nordirland in die Neue Welt ab (das war übrigens der Titel des Buches: Seans Neue Welt ), hundert Jahre Zorn und Groll im Gepäck. Im Buch ging Sean nach Boston. Die Filmfritzen machten L.A. daraus. Zum Teufel damit. Bessere Straßen. Auch das Wetter bereitete den Produzenten hier weniger Kopfschmerzen.
    Driver trank einen Schluck von seiner Horchata und warf einen Blick auf den Fernseher, wo Jim Rockford sein übliches verbales Tänzchen veranstaltete. Er schaute wieder in das Buch, las ein paar weitere Zeilen, bis er an dem Wort Ungebräuchlichkeit hängen blieb. Was für ein Scheißwort war das denn? Er schlug das Buch zu und legte es auf den Nachttisch. Dort leistete es anderen von Richard Stark, George Pelecanos, John Shannon und Gary Phillips Gesellschaft, alle aus demselben Laden am Pico, in dem stündlich Damen jeden Alters Armladungen von Liebesromanen und Krimis anschleppten, um sie zwei zu eins einzutauschen.
    Ungebräuchlichkeit.
    Im Denny’s zwei Blocks weiter fütterte Driver das Telefon mit Münzen und wählte Manny Gildens Nummer, beobachtete dabei, wie Leute das Restaurant betraten und verließen. Ein beliebtes Lokal, jede Menge Familien, jede Menge Typen, bei denen man ein Stück zur Seite rutschen würde, wenn sie sich neben einen setzten. Und das in einem Viertel, in dem die Sprüche auf den T-Shirts und Grußkarten bei Walgreen’s in der Mehrzahl auf Spanisch waren.
    Vielleicht würde er anschließend frühstücken, dann hatte er wenigstens was zu tun.
    Er und Manny hatten sich bei den Dreharbeiten zu einem Science-Fiction-Film kennen gelernt, bei dem Driver in einem Post-Apokalypse-Amerika einen El Dorado unter dem Hintern hatte, der rein optisch an einen Panzer erinnerte. Das traf auch für das Handling zu.
    Manny war einer der angesagtesten Autoren in Hollywood. Es hieß, er hätte schon Millionen gebunkert. Vielleicht stimmte das ja auch, wer wusste das schon? Jedenfalls lebte er immer noch in einem heruntergekommenen Bungalow draußen Richtung Santa Monica und trug immer noch T-Shirts und Chinos mit umgekrempelten Aufschlägen, dazu bisweilen bei offiziellen Anlässen, wie bei einem der in Hollywood so beliebten Meetings, ein uraltes Kordsakko. Und er kam von der Straße. Keine gutbetuchte Familie, keine akademischen Titel. Bei einem schnellen Gläschen hatte Drivers Agent mal erzählt, dass Hollywood fast komplett aus Cum-laude-Absolventen von Ivy-League-Universitäten bestünde. Manny, der für alles Mögliche engagiert wurde, von Henry-James-Adaptionen bis zur Massenproduktion von Drehbuchschnellschüssen für Genre-Filme wie Billy’s Tank, strafte das jedoch Lügen. Wie üblich meldete sich sein Anrufbeantworter:
    »Sie wissen selbst, wer hier spricht, sonst würden Sie nicht anrufen. Mit ein bisschen Glück arbeite ich gerade. Wenn nicht – und falls Sie Geld für mich haben oder einen Auftrag –, hinterlassen Sie bitte eine Nummer. Andernfalls nerven Sie nicht und legen einfach auf.«
    »Manny«, sagte Driver. »Bist du da?«
    »Ja. Ja, ich bin hier … Bleib ’ne Sekunde dran, okay? Muss nur schnell was zu Ende bringen.«
    »Du bringst immer gerade irgendwas zu Ende.«
    »Lass mich nur gerade speichern … So. Erledigt. Was total Neues, sagt mir die Produzentin. Virginia Woolf, plus Leichen und heiße Verfolgungsjagden.«
    »Und was hast du gesagt?«
    »Nachdem ich mich geschüttelt hab? Was ich immer sage. Treatment, Überarbeitung oder Drehplan? Wann brauchen Sie’s? Was springt für mich dabei raus? Scheiße. Sekunde mal, ja?«
    »Klar.«
    »… na, wenn das mal kein Zeichen unserer Zeit ist. Ein Vertreter für Bio-Lebensmittel.«
    »Super Geschäft, darum dreht sich doch alles in Amerika. Bei mir ist hier letzte Woche eine Frau aufgekreuzt, die mir Kassetten mit Liedern von Walen andrehen wollte.«
    »Wie hat sie ausgesehen?«
    »So Ende dreißig. Jeans mit abgeschnittenem Bund, zerschlissenes blaues
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher