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Driver

Driver

Titel: Driver
Autoren: James Sallis
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Arbeitshemd. Latina. Muss so gegen sieben Uhr morgens gewesen sein.«
    »Ich glaube, die war auch bei mir. Hab nicht aufgemacht, aber einen Blick durch den Spion riskiert. Stoff für ’ne gute Geschichte – würde ich noch Geschichten schreiben. Was brauchst du?«
    »Ungebräuchlichkeit.«
    »Ah, wir lesen wieder, was? Könnte gefährlich sein … Es bedeutet, dass etwas nicht mehr gängig ist. Wenn etwas nicht mehr gebräuchlich ist, kommt es außer Gebrauch.«
    »Danke, Mann.«
    »Das war’s?«
    »Ja, aber wir sollten mal wieder einen trinken gehen.«
    »Unbedingt. Ich hab noch diese Sache hier, ist aber schon fast fertig, dann muss ich noch ein bisschen am Remake eines argentinischen Films feilen, danach bleiben ein oder zwei Tage, um die Dialoge für so eine künstlerisch anspruchsvolle polnische Scheiße auf Vordermann zu bringen. Hast du kommenden Donnerstag schon was vor?«
    »Donnerstag ist gut.«
    »Im Gustavo’s? So gegen sechs? Ich bring ’ne Flasche von dem guten Stoff mit.«
    Das war Mannys einziges Zugeständnis an den Erfolg: er liebte guten Wein. Er würde mit einem chilenischen Merlot oder einer australischen Cuvée aus Merlot und Shiraz aufkreuzen. In Klamotten, für die er vor sechs Jahren beim erstbesten Secondhand-Laden vielleicht zehn Dollar hingeblättert hatte, würde er dasitzen und diesen fantastischen Tropfen einschenken.
    Schon bei dem Gedanken daran hatte Driver den Geschmack von Gustavos geschmortem Schweinefleisch mit Yucca im Mund. Das machte ihn hungrig. Und erinnerte ihn an den Slogan eines anderen, erheblich nobleren Restaurants in L. A.: Wir würzen unseren Knoblauch mit Speisen. Im Gustavo’s hatte man für die zwei Dutzend Stühle und halb so viele Tische vielleicht alles in allem hundert Dollar hingelegt, die Vorratskisten mit Fleisch und Käse waren für jeden zu sehen, und es war auch schon eine ganze Weile her, seit die Wände ihren letzten Anstrich bekommen hatten. Aber ja, das beschrieb es ziemlich gut: Wir würzen unseren Knoblauch mit Speisen.
    Driver kehrte zum Tresen zurück, trank seinen kalten Kaffee. Bestellte noch eine Tasse, eine heiße, die auch nicht viel besser war.
    Ein Stück den Block hinunter nahm er bei Benito’s einen Burrito mit Machaca-Füllung auf einem Berg in Scheiben geschnittener Tomaten und Jalapeños. Das schmeckte zumindest nach etwas. Aus der Musicbox tönte die typisch mexikanische Musik, Gitarre und Bajo Sexto erzählen davon, wie’s schon immer gewesen ist, das Akkordeon öffnet und schließt sich wie die Kammern eines Herzens.

3
    Bis Driver mit ungefähr zwölf einen Wachstumsschub bekam, war er klein für sein Alter, etwas, das sein Vater schamlos auszunutzen wusste. Der Junge passte locker durch schmale Öffnungen, Badezimmerfenster, kleine Hunde- und Katzenklappen und so weiter, was ihn zu einer großen Hilfe in der Branche seines Vaters machte: der Einbruchsbranche. Als dann der Wachstumsschub kam, ging es schlagartig. Praktisch über Nacht machte er einen Sprung von einszwanzig auf fast einsneunzig. Seitdem fühlte er sich irgendwie fremd in seinem eigenen Körper. Die Arme baumelten an seinen Seiten, und er hatte einen trottenden Gang. Wenn er zu rennen versuchte, geriet er oft ins Stolpern und knallte der Länge nach hin. Was er jedoch ausgezeichnet konnte, war Auto fahren. Und er fuhr wie der Teufel.
    Nachdem er ausgewachsen war, konnte sein Vater ihn kaum noch gebrauchen. Für seine Mutter hatte sein Vater schon erheblich länger keine Verwendung mehr. Daher überraschte es Driver auch nicht, als sie eines Abends beim Essen mit Fleisch- und Brotmesser auf ihn losging, eines in jeder Faust, wie eine Ninjakämpferin in rot-weiß karierter Schürze. Bevor sein Vater seine Kaffeetasse abstellen konnte, hatte sie ihm ein Ohr abgeschnitten und einen breiten roten Mund quer über seine Kehle gezogen. Driver schaute zu, aß dann weiter sein Sandwich: Frühstücksfleisch und Pfefferminzmarmelade auf Toast. Das beschrieb ziemlich umfassend die Kochkünste seiner Mutter.
    Er hatte immer über den Gewaltausbruch dieser sonst so sanftmütigen, stillen Frau gestaunt – als wäre ihr ganzes Leben auf diese eine, unerwartete drastische Tat ausgerichtet gewesen. Danach war sie nicht mehr zu gebrauchen. Driver gab sein Bestes. Aber am Ende kam der Staat und schälte sie samt Schonbezug aus einem dreckverkrusteten, dick gepolsterten Sessel. Driver verfrachteten sie zu Pflegeeltern nach Tucson. Bis zu dem Tag, an dem er sie verließ, zeigten
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