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Driver

Driver

Titel: Driver
Autoren: James Sallis
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selbst aus. Die Autos durften nicht gestohlen sein, das war normalerweise gleich der erste Fehler, von Profis ebenso wie von Amateuren. Stattdessen kaufte er sie bei kleinen Händlern. Immer Karren, die nicht weiter auffielen. Gleichzeitig wollte er aber welche, die sich bei Bedarf auf den Hinterreifen aufbäumen und richtig Gummi geben konnten. Er bevorzugte ältere Buicks, mittlere Baureihe, in Braun- oder Grautönen, war da aber durchaus offen. Diesmal fand er einen zehn Jahre alten Dodge. Man konnte die Karre in einen Panzer krachen lassen, und nichts würde passieren. Schmeiß einen Amboss auf die Kiste, das Ding prallt ab. Aber wenn er den Motor anließ, dann war es, als ob dieses Schätzchen sich räusperte, um etwas zu sagen.
    »Gibt’s auch ’ne Rückbank dafür?« fragte er den Verkäufer, der auf die Probefahrt mitgekommen war. Man musste das Auto nicht treten, man konnte es einfach laufen lassen und sehen, wohin es einen brachte. Spüren, wie es in die Kurve ging, ob es im Mittelbereich stabil blieb, wenn man beschleunigte, bremste, fliegend die Spuren wechselte. Aber vor allen Dingen: seinem Klang lauschen. Als Erstes hatte er das Radio ausgeschaltet. Dann musste er den Verkäufer mehrere Male zum Schweigen bringen. Das Getriebe hatte für seinen Geschmack etwas zu viel Spiel. Die Kupplung musste ein wenig nachgestellt werden. Und die Kiste zog nach rechts. Davon abgesehen war sie ungefähr so perfekt, wie er es erwarten konnte. Wieder auf dem Grundstück des Händlers, kroch er drunter, um sich zu vergewissern, dass das Fahrwerk nicht verzogen, Achsen und Querträger in gutem Zustand waren. Dann erkundigte er sich nach der Rückbank.
    »Wir besorgen Ihnen eine.«
    Er bezahlte den Mann in bar und brachte den Wagen in eine von mehreren Werkstätten, mit denen er zusammenarbeitete. Sie würden sich die Karre vornehmen, ihr neue Socken, Keilriemen, Schläuche und einen Ölwechsel verpassen, sie abschmieren, neu einstellen und dann an einem Ort lagern, wo sie von der Bildfläche war, bis er sie für den Job abholte.
    Am nächsten Tag musste er um sechs Uhr morgens zum Dreh, was in Hollywood bedeutete, gegen acht aufzukreuzen. Der Chef der Second Unit wollte die Aufnahme schnell durchziehen (warum auch nicht, schließlich wurde er genau dafür bezahlt), aber Driver bestand auf einem Probelauf. Die Karre, die sie ihm gaben, war ein weiß-blauer 58er Chevy. Sah erste Sahne aus, fuhr sich aber wie die letzte Gurke. Beim ersten Versuch verfehlte er die letzte Markierung um einen halben Meter.
    »Passt schon«, sagte der Chef der Second Unit.
    »Passt nicht«, antwortete Driver.
    »Oh Mann«, konterte Second Unit, »um was geht’s hier schon? Um neunzig Sekunden in einem Film, der zwei Stunden dauert? Das war doch super!«
    »Gibt jede Menge andere Fahrer da draußen«, antwortete Driver. »Häng dich an die Strippe.«
    Beim zweiten Mal lief’s wie Butter. Driver ließ sich etwas mehr Zeit, um das richtige Tempo zu erreichen, nahm die Rampe, um auf zwei Rädern durch die Gasse zu segeln, dann wieder runter auf alle vier und eine Rockford-Wende, damit die Schnauze wieder in die Richtung zeigte, aus der er gekommen war. Die Rampe würde später beim Schnitt rausfliegen, und die Gasse würde erheblich länger aussehen, als sie tatsächlich war.
    Die Crew applaudierte.
    Für diesen Tag war noch eine weitere Szene angesetzt, eine simple Fahrt im Gegenverkehr auf einer Interstate. Als die Crew endlich alles aufgebaut hatte, immer der komplizierteste Teil, war es schon fast zwei Uhr nachmittags. Driver kriegte es gleich beim ersten Anlauf hin. 14.23 Uhr, und der Rest des Tages gehörte ihm.
    Er zog sich auf dem Pico ein Double Feature mit zwei mexikanischen Filmen rein, genehmigte sich ein paar Bierchen in einer Kneipe in der Nähe, machte Smalltalk mit dem Typen auf dem Barhocker neben ihm und ging dann zum Abendessen in das salvadorianische Restaurant ein Stück die Straße rauf: Reis mit Shrimps und Huhn, fette Tortillas mit diesem unschlagbaren Bohnendip, Gurkenscheiben, Rettich und Tomaten.
    Zu diesem Zeitpunkt hatte er den größten Teil des Abends hinter sich gebracht, was ziemlich genau das war, worauf er für gewöhnlich aus war, wenn er nicht gerade einen Job zu erledigen hatte. Doch selbst nach einem Bad und einem halben Glas Scotch konnte er nicht einschlafen.
    Jetzt wusste er, da war etwas, dem er mehr Beachtung hätte schenken müssen.
    Das Leben schickt uns ständig Botschaften – und sieht dann
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