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Drei ohne Punkt und Komma - Mathilda, Mathilda! ; [2]

Drei ohne Punkt und Komma - Mathilda, Mathilda! ; [2]

Titel: Drei ohne Punkt und Komma - Mathilda, Mathilda! ; [2]
Autoren: Random House
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vor Wut und vor Empörung. So widerlich fand ich das. Am liebsten wäre ich vor den Sitzbänken der Jungs aufgetaucht und hätte ihnen eine geknallt. Und zwar jedem von ihnen! Mein Atem ging schneller und ich sprang auf.
    Aber nein, dann fiel mir etwas ein. Das ging nicht. Denn Mats durfte mich auf keinen Fall sehen. Er durfte nicht wissen, dass ich alles belauscht hatte. Und ich hatte mir gewünscht, seine Gedanken zu hören! Das hatte ich mir nur etwas romantischer vorgestellt. Aber Mats war ein Arschloch, genau wie die anderen Jungs. Warum tat das nur so weh? Die Sitzreihe vor mir verschwamm und ich biss die Zähne aufeinander, um nicht loszuschluchzen wie ein Kindergartenkind. Denn das war ja das, wofür er mich hielt.
    Ich holte tief Luft. Mats durfte mich nicht sehen. Wie sollte ich das schaffen? Er fuhr mit seinen idiotischen Freunden bestimmt bis zum Kölner Hauptbahnhof. Dort wollte ich eigentlich auch aussteigen. Aber jetzt blieb mir keine andere Wahl. Ich musste vorher aus dem Zug aussteigen, schnell, bei der nächsten Gelegenheit! Als der Zug langsamer wurde, griff ich nach meiner Tasche und sprang am nächsten Bahnhof heraus. Ohne zu wissen, wo.
    Der Zug fuhr weiter. Ich stand an einem Bahnhof, den ich nicht kannte. Wo war ich hier nur gelandet? Auf dem Bahnhofsschild stand: Köln-Mülheim. Ich stöhnte. Das war ziemlich weit von unserem alten Viertel entfernt. In dem auch Hannah wohnte. Wie kam ich von hier zu ihr?
    Ich schaute auf den Busfahrplan und atmete auf. Jetzt gleich kam ein Bus, den würde ich nehmen. Doch als ich vorne beim Busfahrer bezahlen wollte, fehlten mir 80 Cent. Mal wieder war ich fast pleite. Daran hatte ich bei meiner Flucht nicht gedacht. Entsetzt sah ich den Busfahrer an.
    Der zuckte die Schultern: »Nisch jenuch. Da kann isch nix maachen«, sagte er auf Kölsch. Um dann aufmunternd hinzuzufügen: »Et hätt noch immer jot jejange.«
    Na herrlich, zu wissen, dass alles letztlich gut ausgeht. Das half mir im Moment keinen Zentimeter weiter. Im Gegenteil. Hinter mir riefen die Fahrgäste, wann es denn endlich weiterginge. Als ich ausstieg, kam es mir so vor, als ob der ganze Bus mir ansah, dass ich gerade von zu Hause abgehauen war. Mit weichen Knien setzte ich mich ins Bushäuschen. Was sollte ich jetzt machen? Dann atmete ich auf. Bestimmt konnte mich Hannah hier abholen und mir etwas Geld leihen. Wir würden gemeinsam zu ihr nach Hause fahren, ewig in ihrem Bett liegen und über alles, was passiert war, quatschen. Der Gedanke fühlte sich einfach wunderbar an.
    Ich wühlte in meiner Umhängetasche, zog mein Handy heraus und gleich darauf stöhnte ich wieder. Der Akku war leer. Ich hatte mal wieder vergessen, mein Handy aufzuladen. Nun blieb mir keine andere Wahl: ich musste zu Fuß gehen. Quer durch Köln, über die Rheinbrücke … schon bei dem Gedanken wurde mir flau. Wie lange würde das von Mülheim bis in unser altes Viertel dauern? Auf einmal wurde mir unheimlich zumute. Ob ich vor Einbruch der Dunkelheit bei Hannah sein würde? Würde Mama sich vielleicht Sorgen um mich machen?
    Das, was bei uns im Bergischen Land als Schneeregen heruntergekommen war, gab es in Köln ausschließlich als Regen. Er plätscherte nur so auf das Dach des Bushäuschens. Niemand war auf der Straße. Nur ein alter Mann mit einem dicken Hund an der Leine und einem Regenschirm in der anderen Hand war unterwegs. Am liebsten hätte ich mich irgendwo ins Warme gesetzt, geweint und nicht mehr aufgehört.
    Aber dann dachte ich: wer von Zuhause abhaut, muss mit Problemen klarkommen und ich schaffe das! Ich setzte meine Kapuze auf, hängte den Gurt der Tasche über meine Schulter und marschierte los. Quer durch Köln-Mülheim. Mitten im Regen. Das Wasser lief schnell neben dem Bürgersteig. Meine Chucks weichten mehr und mehr durch. Mit gesenktem Kopf lief ich weiter. Ein Auto fuhr durch eine Pfütze an mir vorbei und das Wasser spritzte hoch. Nun war auch noch meine Lieblingsjeans nass und dreckig. Alles hatte sich heute gegen mich verschworen, alles.
    Obwohl ich nicht wollte, liefen mir die Tränen über die Wangen. Ich wischte sie mit dem Jackenärmel fort und plötzlich fiel mir etwas auf. Die lang gezogene Messehalle kannte ich. Ich war in Köln-Deutz. Vor mir lag der Rhein. Hier ganz in der Nähe wohnte meine Patentante Anouk!
    Die war zwar auch Mamas beste Freundin, aber Anouk weiß noch, wie schwierig es ist, wenn man zwölf ist. Auf meine Patentante konnte ich mich verlassen, das wusste ich.
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