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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee
Autoren: Erich Kästner
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Viktoria-Palast.
    »Zweimal Fremdenloge«, verlangte Hagedorn.
    »Fremdenloge gibt es leider bei uns nicht«, sagte das Fräulein an der Kasse.
    »Wie dumm, wie dumm!« meinte er. »Nein, ist uns das peinlich!
    Das verändert die Sachlage gewaltig! Was meinst, liebe Tante, wollen wir unter diesen Umständen lieber wieder nach Hause gehen?«
    »Ach nein«, sagte die Mutter. »Nun bin ich schon in Berlin zu Besuch. Nun will ich auch etwas erleben.« Währenddem drückte sie ihm heimlich eine Mark fünfzig Pfennig in die Hand.
    Das Fräulein dachte nach. »Nehmen Sie doch Orchestersitz.«
    »Das geht nicht. Wir sind unmusikalisch«, sagte er. »Wissen Sie was, geben Sie zweimal zweites Parkett!«
    »Das ist aber ganz vorn«, sagte das Fräulein.
    »Das wollen wir hoffen«, bemerkte die alte Dame hoheitsvoll. »Im Perleberger Stadttheater sitzen wir auch in der ersten Reihe. Wir nehmen stets die vordersten Plätze.«
    »Mein Onkel ist nämlich Feuerwehrhauptmann«, sagte Doktor Hagedorn erklärend und nickte dem Fräulein zu. »Er kann sich’s leisten.« Dann reichte er seiner Mutter den Arm, und sie traten gemessenen Schritts in den dunklen Zuschauerraum.

Das vierte Kapitel - Gelegenheitskäufe
    An den folgenden Tagen ließ sich Geheimrat Tobler wiederholt im Auto nach dem Norden und Osten Berlins fahren.
    Er besorgte seine Expeditionsausrüstung. Die Schlipse, es waren Stücke von prähistorischem Aussehen, erstand er in Tempelhof. Die Hemden kaufte er in der Landsberger Allee. Drei impertinent gestreifte Flanellhemden waren es. Dazu zwei vergilbte Makohemden, etliche steife Vorhemdchen, zwei Paar Röllchen und ein Paar vernickelter Manschettenknöpfe, deren jeder ein vierblättriges Kleeblatt vorstellte.
    In der Neuen Königstraße kaufte er – besonders billig, wegen Aufgabe des Geschäfts – eine Partie Wollsocken. Und in der Münzstraße derbe rindslederne Stiefel. Am Tag der Abreise erwarb er endlich den Anzug! Das ging hinter dem Schlesischen Bahnhof vor sich. In der Fruchtstraße. Der Laden lag im Keller. Man mußte sechs Stufen hinunterklettern.
    Der Trödler, ein bärtiger Greis, breitete einige seiner Schätze auf dem Ladentisch aus. »So gut wie nicht getragen«, sagte er unsicher.
    Tobler erblickte zunächst einen verwitterten Cutaway aus Marengo und hatte nicht übel Lust, ihn zu nehmen. Andrerseits war ein Cutaway doch wohl nicht das geeignetste Kostüm für dreißig Zentimeter Neuschnee. Daneben lag ein hellbrauner Jackettanzug.
    Mit kleinen Karos und großen Fettflecken. Und neben diesem der Anzug, den Tobler schließlich wählte. Die Farbe war vor Jahren violett gewesen. Mit hellen Längsstreifen. Die Zeit vergeht.
    »Scheußlich schön«, sagte Tobler. »Was kostet das Gewand?«
    »Achtzehn Mark«, entgegnete der Alte. »Es ist der äußerste Preis.«
    Der Geheimrat nahm das Jackett vom Bügel und zog es an. Der Rücken spannte. Die Ärmel waren viel zu kurz.
    »Nehmen Sie den Cutaway!« riet der alte Mann. »Er kostet zweiundzwanzig Mark, aber die vier Mark Unterschied lohnen sich.
    Der Stoff ist besser. Sie werden es nicht bereuen.«
    »Haben Sie keinen Spiegel?« fragte Tobler.
    »Im Hinterzimmer«, sagte der Greis.
    Sie gingen in das Hinterzimmer. Es roch nach Kohl. Der Geheimrat starrte in den Spiegel, erkannte sich dann doch und mußte lachen.
    »Gefalle ich Ihnen?« fragte er.
    Der Ladenbesitzer griff, einen Halt suchend, in seinen Bart.
    »Nehmen Sie den Cutaway!«
    Tobler blieb standhaft. »Ich nehme das violette Modell«, antwortete er. »Es soll eine Überraschung sein.«
    »Insofern haben Sie recht«, meinte der Alte. Tobler zog sich wieder an und zahlte. Der Trödler wickelte den Anzug in braunes Packpapier und brachte den Kunden zur Tür. Bevor er öffnete, befühlte er Toblers Gehpelz, pustete fachmännisch in den Otterkragen und sagte: »Wollen Sie den Mantel verkaufen? Ich würde ihn vielleicht nehmen. Für hundertzwanzig Mark.«
    Der Geheimrat schüttelte den Kopf.
    »Der Cutaway war Ihnen zu teuer«, fuhr der alte Mann fort. »Sie haben kein Geld. Das kommt bei reichen Leuten öfter vor, als arme Leute denken. Na schön. Hundertfünfzig Mark. Bar in die Hand! Überlegen Sie sich’s!«
    »Es ist ein Andenken«, sagte Tobler freundlich und ging.
    Der Trödler blickte ihm nach und sah den schweren Wagen und den Chauffeur, der beflissen den Schlag öffnete. Das Auto fuhr ab.
    Der alte Mann legte ein Brikett nach und trat vor ein Vogelbauer, das hinterm Ladentisch an der Wand hing.
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