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Drei Männer im Schnee

Drei Männer im Schnee

Titel: Drei Männer im Schnee
Autoren: Erich Kästner
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das neue Dienstmädchen, trat ein. »Herr Generaldirektor Tiedemann wartet unten im Salon.«
    »Ich komme gleich«, sagte Tobler. »Er will einen Vortrag halten.
    Als ob ich eine Weltreise machte.« Isolde ging.
    »Wo du doch übermorgen wieder zu Hause bist!« meinte Hilde.
    Der Vater blieb an der Tür stehen. »Wißt ihr, was ich tue, wenn man mich hinauswirft?« Sie blickten ihn gespannt an.
    »Dann kaufe ich das Hotel und schmeiße die andern hinaus!«
    Als auch Johann gegangen war, meldete Hilde hastig ein dringendes Gespräch mit Bruckbeuren an.
    »Es bleibt kein anderer Ausweg«, sagte sie zur Kunkel. »Sonst geht morgen abend die Welt unter.«
    »Ihr Herr Vater ist leider übergeschnappt«, meinte die Hausdame.
    »Womöglich schon seit langem, und es ist uns nur nicht aufgefallen.
    Diese Schlipse! Hoffentlich geht es wieder vorüber.«
    Hilde zuckte die Achseln. »Sobald das Gespräch da ist, lassen Sie keinen Menschen ins Zimmer! Außer über Ihre Leiche.«
    »Auch dann nicht!« versicherte Frau Kunkel tapfer und stopfte den alten, widerwärtigen Flauschmantel in den Korb. Der Raum nahm langsam wieder sein übliches, vornehmes Aussehen an.
    »Man ist ja allerlei von ihm gewöhnt«, sagte die Hausdame.
    »Wissen Sie noch, wie er vor zwei Jahren in der Oper, wie hieß sie doch gleich, dem Dirigenten den Taktstock wegnahm? Der Geheimrat saß genau hinter dem Kapellmeister, der so schön dirigierte. Und oben auf der Bühne lag ein krankes Fräulein im Bett, und die Freundin brachte einen Muff, weil sie an den Händen fror – und fort war das Stöckchen! Der Dirigent drehte sich erschrocken um, und die Zuschauer lachten furchtbar. Dabei war es gar kein Lustspiel! Und das alles wegen einer Wette.«
    Hilde blickte ungeduldig aufs Telefon. »Hoffentlich hält ihn der Generaldirektor lange genug fest.«
    »Telefonieren Sie doch erst, wenn der Herr Geheimrat abgereist ist!«
    »Jetzt oder nie«, sagte Hilde. »Im Grunde geht es mich überhaupt nichts an. Mein Vater ist alt genug. Ich mache mir Vorwürfe.«
    Die Kunkel schnallte die Korbriemen fest. »Ein kleines Kind ist er!
    Ich weiß nicht, woran es liegt. Im Grunde ist er doch ein gescheiter Mensch. Nicht? Und so nett und nobel. Aber plötzlich kriegt er den Rappel. Vielleicht liest er zu viel. Das soll sehr schädlich sein. Nun haben wir die Bescherung. Nun fährt er als armer Mann in die Alpen.«
    Das Telefon klingelte.
    Hilde eilte an den Schreibtisch. Es war Bruckbeuren. Die Hotelzentrale meldete sich. Hilde verlangte den Direktor. Es dauerte einige Zeit. Dann sagte Hilde: »Sie sind der Direktor des Grandhotels? Sehr angenehm. Hören Sie, bitte, zu! Morgen abend trifft der Preisträger des Putzblank-Ausschreibens bei Ihnen ein.«
    Der Direktor erklärte, er sei orientiert, und es werde ihm ein Vergnügen sein.
    »Die Vorfreude ist die schönste Freude«, sagte sie. »Dieser Gast wird Ihnen leider Kopfschmerzen verursachen. Er tritt als armer Mann auf, obwohl er Millionär ist. Ein Multimillionär sogar.«
    Der Hoteldirektor dankte tausendmal für den Hinweis. Dann erkundigte er sich, weswegen ein Multimillionär als armer Mann auftrete.
    »Es ist eine Marotte von ihm«, sagte Hilde. »Er will die Menschen studieren. Er will ihre Moral auf Herz und Nieren prüfen. Ich stehe ihm sehr nahe, und mir liegt daran, daß man ihm nicht weh tut. Er ist ein Kind, verstehen Sie? Er darf auf keinen Fall erfahren, daß Sie Bescheid wissen. Er muß sich davon überzeugen, daß man ihn für einen armen Teufel hält und trotzdem behandelt, wie er’s gewöhnt ist.«
    Der Direktor sagte, das werde sich schon machen lassen. Er fragte dann noch, ob der geheimnisvolle Gast Gepflogenheiten habe, die man auf dezente Weise berücksichtigen könne.
    »Eine gute Idee«, meinte sie. »Also passen Sie auf! Er läßt sich jeden zweiten Tag massieren. Er sammelt Briefmarken. Abends muß ein warmer Ziegelstein in seinem Bett liegen. Am liebsten ißt er Nudeln mit Rindfleisch oder andere Hausmannskost. Mit Getränken ist er wählerischer. Französischen Kognak liebt er besonders. Was noch?«
    »Katzen!« sagte Frau Kunkel, welche die Tür fanatisch bewachte.
    »Haben Sie siamesische Katzen?« fragte Hilde. »Nein? Besorgen Sie ihm einige! Für sein Zimmer. Ich überweise Ihnen morgen tausend Mark.«
    Der Hoteldirektor meinte, er habe alles notiert. Bezahlung komme natürlich nicht in Frage. Sie seien ein großzügiges Hotel. Bis auf die siamesischen Katzen sei außerdem das Programm
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