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Drei Frauen und ein Braeutigam

Drei Frauen und ein Braeutigam

Titel: Drei Frauen und ein Braeutigam
Autoren: Sarah Harvey
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nordenglischem Akzent. »Unsere Madame Butterfly da drüben«, sie deutet auf Tula, die auf einen Korbstuhl in der Ecke gesunken ist, verdrießlich in ihren inzwischen längst leeren Champagnerkelch starrt und lautstark nach einem großen Gin Tonic verlangt, »hat mich heute Morgen schon zurechtgewiesen, weil ich gestern Abend ihr Bett nicht aufgedeckt habe!« Bei diesen Worten bricht sie in glucksendes Gelächter aus.
    Kaum in meinem Zimmer, nimmt das Frühstück, das ich hinuntergewürgt habe, den selben Weg wie Tanyas Mittagessen von gestern. Und jetzt stehe ich feierlich - na ja, so feierlich, wie man in Unterwäsche nur sein kann - vor meinem Brautjungfernkleid, das in seiner Schutzhülle am Kleiderschrank hängt. Nach dem Horror in Orange kam Grace‘ echte Wahl, ein schmeichelhaftes Kleid im Empirestil aus blassgelber Seide mit hauchzarten Goldstickereien. Es ist so schön, dass selbst Tanya sich nicht zu schade war, es anzuziehen.
    Es kommt mir wie ein großer Moment in meinem Leben vor, als ich das Kleid vom Bügel nehme und hineinschlüpfe. Grace‘ Friseurin Pansy, eine überschäumende, plappernde Blondine mit Brüsten wie Kissen, an die man sich herrlich anlehnen kann, während sie einen schniegelt und striegelt, ist extra für diesen Tag aus London geholt worden. Nun wird mein Haar hochgetürmt und mit winzigen, gelben Seidenrosen durchflochten - ein Stil, bei dem ich Sorge hatte, er könne ein wenig altbacken aussehen, der sich aber als so entzückend schmeichelhaft herausstellt, dass ich gar nicht mehr aufhören kann, mein Spiegelbild erfreut und überrascht zu beäugen.
    »Youre so vain «, singt Tanya und trippelt vorsichtig ins Zimmer, wobei sie den Rock hebt wie eine Heroine von Jane Austen, die eine Pfütze durchquert. »Wie zum Teufel sollen wir uns in den Dingern nur bewegen?«
    »Unter großen Schwierigkeiten«, erwidere ich. »Und außerdem bin ich überhaupt nicht eingebildet! Nur erstaunt, weil ich in diesem Aufzug ganz passabel aussehe.«
    »Du siehst mehr als passabel aus.«
    »Bist du sicher?«, frage ich und blicke über die Schulter auf meinen Po in dem großen Spiegel.
    »Frag gar nicht erst, ob dein Hintern fett aussieht«, kommt Tanya mir zuvor. »Ob du es glaubst oder nicht, du siehst einfach hinreißend aus.«
    »Wirklich?«
    »Ja, wirklich.«
    »Bitte versuche, nicht zu hinreißend auszusehen. Du willst doch der Braut nicht die Schau stehlen«, lässt sich eine nervöse Stimme vernehmen.
    Tan und ich fahren herum und erblicken eine Erscheinung in schimmernder cremefarbener Seide, die, wenn auch etwas zögerlich, ins Zimmer gleitet. »Kann mir mal jemand mit dem Schleier helfen?«, fragt Grace, als wir sie schweigend und mit aufgerissenen Mündern anstarren.
    Haben Sie auch schon Augenblicke erlebt, an die Sie sich das ganze Leben erinnern werden? Dieser hier ist so einer.
    Einen Moment lang steht da nicht Grace Ellerington, die erfolgreiche, attraktive Neunundzwanzigjährige vor mir, die ich kenne und liebe, sondern die verschüchterte, aufgeregte und verunsicherte Elfjährige, die ich vor achtzehn Jahren kennen gelernt habe und mit der ich eine der unglaublichsten und wunderbarsten Freundschaften eingegangen bin, die sich ein Mensch nur wünschen kann. Ich fühle, wie die Tränen in mir aufwallen, als wäre gerade ein Damm hinter meinen Augen gebrochen.
    »Und, wie sehe ich aus?«, fragt sie schließlich flehend. Ihr Gesicht wird von Sekunde zu Sekunde düsterer. »Nein, sagt nichts, ich kann es an euren Gesichtern ablesen. Ihr findet es grässlich, stimmt’s? Ich sehe furchtbar aus. Ich wusste doch, ich hätte mich für ein anderes entscheiden sollen...«
    Unfähig, auch nur ein Wort zu sagen, wende ich mich an Tanya und stelle erstaunt fest, dass auch ihre normalerweise so klaren Augen tränenverschleiert sind. »Du...«, sie zögert. »Du siehst...«, setzt sie erneut an, bricht aber wieder ab. Laut schniefend wendet sie sich ab und blickt sich hektisch nach einem Taschentuch um. Da nichts außer einem großen Plastikbeutel voller rosa Wattebäusche in Sicht ist, schnappt sich Tanya eine meiner Socken und schnäuzt sich geräuschvoll in die rote und gelbe Wolle.
    »Ich hoffe nicht, dass ihr heult, weil ich schrecklich aussehe.« Grace‘ Mund bebt, als auch ihr eine einzelne Träne langsam über die Wange kullert, so erschüttert ist sie von unserem Gefühlsausbruch.
    »Du siehst fabelhaft aus«, stößt Tanya schließlich hervor, wobei ihre Stimme etwas rauer klingt als
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