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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4
Autoren: Christine Weiner
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strahlend blauen Augen und dem pfälzisch-französischen Oh, là, là! Sieh mal dies Foto von ihr, leicht entflammbar ,habe ich darauf notiert.«
    Müde erinnerte ich mich jetzt, dass ich damals erneut von dem roten Wein getrunken hatte, ein weiterer Grund, warum ich jetzt in lilafarbenen Malerhosen leiden musste.
    »Komm, du hast doch auch geflirtet!«, hatte Renate empört von sich abgelenkt, und die Zeichnung wanderte ein bisschen zu schnell wieder in die Kiste.
    »Na, na, na«, wackelte ich rotnasig mit dem Kopf, und Wolfgang drohte mir neckisch mit dem Finger. Ja, ich hatte gerne geliebt und auch viel, aber jetzt war ich froh, dass es nur einen gab. Mit Mitte dreißig hatte ich mich in Wolfgang verliebt und war in vermeintlich ruhigere Liebesgewässer eingelaufen, dabei hatte ich noch nicht gewusst, dass besonders in ruhigen Teichen heftige Strudel einen überraschen können. Es fühlte sich an, als ob ich auch nach fünfzehn gemeinsamen Jahren noch gut damit beschäftigt war, diese Beziehung wirklich zu verstehen.
    »Und ich?«, rief uns Nele vom Herd aus zu und stach mit einer Gabel in die Gans. »Was ist mit mir?«
    »Du warst und bist unsere gute Seele«, lächelte ich gerührt zurück.
    Dann erzählte ich immer weiter, weihnachtlich und tantenhaft, mehr von diesem einmaligen Urlaub im Frankreich von 1981, mit dem wenigen Geld, dem schlechten Essen, auf Isomatten in einem viel zu kleinen Zelt, und dass ich die schöne Zeit »… bis an mein Lebensende nicht vergessen werde«!
    »Und heiß war es im Sommer ’81, so heiß …«, ergänzte Nele und stellte die dampfenden Knödel auf den Tisch.
    »So heiß, dass wir uns im Auto gegenseitig mit Sprudel übergossen haben«, vollendeten Renate, Nele und ich den Satz im Chor.
    Ein wunderbarer Abend war es gewesen, ein Weihnachtsfest, wie es sich gehört, mit Sentimentalitäten, Lachen und verdrückten Tränen, die mit vielen Gläsern Rotwein aufgefangen werden. Und dann ist auch schon der erste Weihnachtsfeiertag, Familienbesuche stehen an, und mit dem emotionalen Rausch ist es vorbei.
    Weihnachten und die Tagebuchkiste hatte ich längst vergessen, als Nele, Renate und ich im Frühjahr darauf Geburtstag hatten und zusammen hundertfünfzig wurden. Eine große Party in einem buntgeschmückten Naturfreundehaus, tief im dunklen Pfälzer Wald, mit vielen bunten Päckchen auf der Wiese. Anna und Sarah hatten sich zu Zeremonienmeisterinnen erklärt und schon Wochen zuvor sehr geheimnisvoll getan. Ein großes Geschenk stand an, das hatte man uns verraten, eines, das es nicht so oft im Leben gibt. Dieser Satz hatte mich sofort misstrauisch gemacht, weil große Geschenke sehr oft belastend sind, und zwar für diejenigen, denen man sie überreicht. Ich hatte mich aber nicht übermäßig damit beschäftigt, sondern mir eingeredet, dass in der Regel nichts so heiß gegessen wird, wie man es kocht.
    »Alle mal herkommen!«, rief Sarah dann am Jubeltag und ließ mitten im Sonnenschein das Weihnachtsglöckchen läuten, das sonst nur unter dem Tannenbaum zum Einsatz kam. Gleich darauf tönte Maria Farantouri aus einem der Lautsprecher, die in den Bäumen hingen, und eine dunkle Vorahnung stieg in mir auf, dass sie nicht umsonst zu meinem Fünfzigsten mit griechischer Schwermut sang. Als alle Gäste um uns in einer Runde standen, die jede ehrliche Reaktion verbietet, zog Anna ein Tuch vom Tisch, unter dem sich Geschenke und gerollte Dokumente häuften. Licht aus! Jaa! Spot an! Jaa! Alle Augen waren auf uns gerichtet. Geschenke zum Fünfzigsten können nur bescheuert sein, weil Freunde und Töchter sich dafür viel zu viel überlegen. Noch ehe ich abhauen konnte, bekam ich mit großer Geste eines der Päckchen überreicht, die mit Trudi gekennzeichnet waren. Etwa siebzig Augenpaare bündelten sich bei mir. O Gott, dachte ich, lass es nicht zu schrecklich sein, aber mich traf dann doch der Schlag, weil sich nämlich ein Paar ausgelatschte Birkenstocksandalen aus dem bunten Geburtstagspapier schälten. Zum Glück hatten auch Nele und Renate ihre ersten Geschenke in der Hand, das heißt, die Augenpaare wanderten weiter, und es brauchte nicht viel, um zu begreifen, dass nicht die Geschenke im Vordergrund standen, sondern offenbar ein Konzept.
    »Sisal!«, jubelte Renate und begann sofort mit Tränen der Rührung in den Augen, Geschichten von Salzteig und Blumenampeln aufzuwärmen. Nele hielt eine alte gebatikte Frauenflagge in die Luft. Die Flagge hatte ich mit einundzwanzig genäht,
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