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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4
Autoren: Christine Weiner
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1981, als ich mit euren Müttern Urlaub machte! Südfrankreich, wir drei unterwegs in einer roten Sardinenbüchse. Schaut nur mal, der klapprige R4! Das Motorenlämpchen stand permanent auf Rot.« Alte Fotos flogen zusammen mit Bleistiftzeichnungen und gepressten Blumen aus dem Buch. »Himmel, und all diese politischen Statements auf dem Wagen! Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt! Frauen nehmen Frauen mit … und da«, ich brüllte fast vor Lachen. »Da seht ihr, wie alt die Kiste war …«, mein Finger tippte amüsiert auf ein Foto, das Nele überhitzt im Wagen zeigte. »Nele zappelnd im Wagen, weil die Beifahrertür klemmte … erinnerst du dich, Nele, du musstest dich von innen gegen die Tür stemmen!« Wir alle lachten los, und ich nahm leider noch ein paar Schlucke Wein. »Ach, herrlich war das!«, hatte ich ausgerufen. »Mit Zelt und Rucksack und Isomatte, und ach Gott, diese ganze Büchsenkost, die wir damals aus Deutschland mitgenommen hatten – schaut mal die Skizze hier.«
    Die Skizzen malte ich damals immer dann, wenn es etwas zu fotografieren galt, denn Fotoapparate fand ich spießig, sie waren für mich ätsch, so sagte man damals, wenn etwas ein totales No-Go war. Auf einer dieser Zeichnungen hatte ich festgehalten, mit welchem Trick Renate unsere Lebensmittel kunstfertig vor den Ameisen gerettet hatte, und auf einer anderen war Nele, die ihre Arme protestierend in die Hüften stemmte. »Sicher hatte ich wieder das Zelt nicht aufgeräumt«, erklärte ich feixend, warum Nele so grimmig auf dem Foto war. Beim Zelten wurde ich schnell zu einem Ferkel, weil ich Zelten nämlich noch niemals wirklich in meinem Leben mochte. Klar, damals hatte ich es mitgemacht, weil man damals eben so reiste, aber später habe ich nie wieder eine Zeltwand angefasst. Auch dass meine Autos komfortabel sind, ist mir wichtig, weil wir früher immer nur Schrottlauben unter dem Hintern hatten, in denen man nicht nur unbequem saß, sondern die auch dauernd stehen blieben. Von meinem damaligen VW waren einmal alle vier Reifen gleichzeitig abgefallen, was aber immerhin dazu führte, dass drei hilfsbereite Studenten um mein Auto herumsprangen. Wir hatten ja auch die Zeit, vieles auszuprobieren. Niemand war permanent online, und wenn man jemanden anrufen wollte, dann musste man sich durchsetzen und erst mal mit Geschwistern oder WG -Genossen ums Telefon streiten, oder man zog los, um eine Telefonzelle zu finden.
    »Meistens war aber kein Telefonbuch drin«, erinnerte sich Renate.
    »… oder die Zehner fielen durch«, warf Nele ein.
    »Oder man war gerade klamm, und dann telefonierte man eben mit ausländischen Münzen, die vom Apparat als Zehner angenommen wurden.«
    »Wisst ihr noch, dass wir oft kein Geld hatten und kaufen mussten, was es eben gab?« Nele zeigte grinsend auf ein Foto von einer Steige Honigmelonen, die Renate in Frankreich für unser letztes Geld erstanden hatte, obwohl niemand außer ihr Honigmelonen mochte.
    »Die Dinger haben im Auto fast gekocht und süßklebrig gestunken!«, rief ich. »Irgendwann bin ich ausgestiegen und habe so lange protestiert, bis die Obstkiste auf einem provisorisch gebauten Dachgepäckträger festgegurtet war. Heute hält man dich mit so was an der nächsten Ecke an.« Alle am Tisch lachten johlend auf.
    Es war unglaublich, dass uns damals nichts passiert war, und ich war froh, heute ein solides Auto mit ausreichendem Kofferraum zu besitzen.
    »Im Jahr darauf wollten wir eigentlich nach Italien. Aber daraus ist ja nichts geworden, denn auf einmal habt ihr euch angemeldet.« Ich warf den beiden schönen jungen Frauen an unserem Tisch einen Blick zu. »Erst Sarah und dann Anna und später kamen Philipp und Oliver. Wir haben noch oft von dieser verpassten Reise gesprochen, aber nie mehr gemeinsam Zeit dafür gefunden, und ohne die anderen wollte keine von uns los.«
    Diese alberne Leichtigkeit, die uns damals verbunden hatte, die verrückten Partys, das Lagerfeuer auf der Madenburg, die Liedermacherfestivals, Frauenfrühstücke und Teerunden in den WG s, die gab es jetzt nicht mehr. Sie waren untergegangen mit der alternativen und frauenbewegten Zeit. An diesem Weihnachtsabend kochte der frühere Spirit dieser längst vergangenen Tage wieder hoch. »Tja«, sagte ich in einem Anfall von Wehmut, den ich mir rückblickend nicht erklären konnte, »schön war die Zeit.«
    »Und deine Mutter«, sagte ich zu Anna, »die hatte es damals faustdick hinter den Ohren, mit ihren roten Locken, den
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