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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4
Autoren: Christine Weiner
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schimpfend und fluchend, weil nicht alles in den Kofferraum passte. Ein R4 ist leider, leider eben doch nicht der Van, mit dem Nele inzwischen vertraut war, weil sie ihn als Dienstauto des Kindergartens fuhr.
    »Soll das da alles noch mit?«, fragte ich naiv und deutete angewidert mit dem Fuß auf einen buntgemischten Haufen aus Rucksäcken, Gaskocher, diversen Plastikschüsseln, Blechkochtöpfchen, Zeltbesen, Sonnenschirm und Isomatten.
    »Natürlich!«
    Über Neles Kopf bildete sich eine dunkle Wolke der Empörung. Klar, für einen Urlaub zu dritt ist ein R4 halt eine Strafe. Und doch … Ich war unschuldig, ich hatte nichts verbrochen, dass ich mir in diesem Auto meine Nervenbahnen abquetschen sollte. Mir schliefen doch in meinem saugemütlichen Bett Hände und Füße immer wieder ein. Wie sollte mein armer Rücken also die Fahrt nach Italien in dieser Kiste überstehen? Ich war fünfzig und nicht mehr Anfang zwanzig! Angespannt trippelte ich von einem Bein aufs andere und lächelte gequält den Menschen zu, die vorübergingen und neugierig schauten. Sollten sie doch glotzen und uns umringen! Sollten Sie Fotos machen, um sie auf Facebook zu posten, mit der Botschaft »Schräge Omis unterwegs«. Sollten sie twittern und flashmobben, mir war jeder Kessel und jede Bewegung recht, die diese Reise noch aufhalten konnte. Freiwillig und jauchzend würde ich mich in meine schwarzen Businessanzüge stürzen, die ich zwar auch hasste, die mir jetzt aber hundertmal lieber waren als die gefärbten Malerhosen, die ich trug.
    »Aua!« Die seitlichen Klemmen meiner Birkenstockschuhe scheuerten schmerzhaft an meinen Knöcheln. Keine Frage, die Dinger wollten warm gelaufen werden. Und meine Füße waren inzwischen seidige Schläppchen und zartes Kalbsleder gewohnt. Breiter waren meine Füße offenbar auch geworden. Wie ein Hefeteig quollen sie über den erhöhten Rand der Sohle, den Birkenstockfans als so wohltuend und gesund empfinden.
    »Gab’s die nicht größer?«, beschwerte ich mich, aber Nele winkte ab und wollte keine Reklamationen entgegennehmen. Geschäftig machte sie sich hinter dem Lenkrad breit, und es schien sie nicht im Geringsten zu stören, dass der Platz im Wagen nicht nur sehr beschränkt, sondern sicher auch sehr stickig war.
    »Und bis wann sollen wir bei Renate sein?«, rief ich ins Auto, dessen Beifahrertür sich partout nicht öffnen lassen wollte.

    Nele ging nicht darauf ein, sondern zerrte und hebelte von innen und gab mir in Gebärdensprache Anweisungen, wie und wo ich zupacken sollte, damit die Tür sich endlich bewegte. Lustlos ließ ich die Klinke schnappen.
    »Geht nicht!«, signalisierte ich ihr schulterzuckend und protestierte mit meiner Körperhaltung, meinem Blick und allem, was sie mir zum Protest gelassen hatten.
    Auch der R4, der »Fuchur« hieß, nach dem Drachen in der Unendlichen Geschichte , war eine einzige Protestaktion: Neben »Atomkraft? Nein danke« und »Atomkraft? Nee bedankt!« klebten »Frauen nehmen Frauen mit«, »Kein Kriegsspielzeug in Kinderhände«, »Baum ab? Nein danke!« und »Frieden schaffen ohne Waffen«. Es war mir ein Rätsel, auf welchem Flohmarkt Anna und Sarah, die Töchter meiner Freundinnen, all diese Aufkleber und Devotionalien der 80er erstanden hatten. Sogar den rosa Aufkleber mit der frechen kleinen Hexe, die auf einem Besen ritt, hatten sie irgendwo ausgegraben. Auf der Fahrerseite des R4 war eine Halterung an den Kotflügel geschweißt, der für die selbstgebatikte Frauenflagge vorgesehen war. »Am besten lasst ihr sie schon ab Mannheim flattern«, hatte uns Renate am Telefon eindringlich eingeschärft. »Das gibt gleich einen guten Kick.« Genau, besonders dann, wenn ich in diesem Wagen von Kollegen oder jemandem aus der Führungsetage gesichtet wurde. »Hallo, Frau äh … äh … sind Sie es, oder sind Sie es nicht? Sie arbeiten doch für uns! Talentmanagement, Human Resources, stimmt’s?« Nicht auszudenken, wie diese Verkleidung meinem Image schaden konnte!
    Wir waren nicht etwa auf dem Weg zu einem hochsommerlichen Karnevalsumzug. Unser alberner Auftritt war dem fröhlichen Geschenk von Anna und Sarah geschuldet, den Töchtern von Nele und Renate, die ich beide von Geburt an kannte. Sosehr ich auch die beiden Mädchen liebte, in diesem Augenblick kam eher Galle hoch, wenn ich an die Gesichtchen dachte.
    »Haaalloooo, Trudi! Wie wär’s, wenn du mal nicht pennen, sondern ziehen würdest?« Nele klopfte drängelnd gegen das Blech des Wagens. Es
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