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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4
Autoren: Christine Weiner
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wenn er mich nicht mit dem Arsch anschaut und sich nicht einmal erinnert.«
    Dann hatte sich die Reise doch gelohnt, und wie die Männer auch waren und hießen, sie waren doch nur Statisten dabei gewesen.
    »Tragende Rollen«, meinte ich. Also die Rollen beim Theater, die etwas holen oder bringen. In unserem Fall waren es bestimmte Erfahrungen, die sie uns auf dem Tablett servierten, die uns zum Nachdenken und Verändern brachten.
    Nach einer schnellen Katzenwäsche, denn die musste vor der nächsten Kurve sein, rollte Renate mit dem Wagen los, einen Hügel hinauf, einen Hügel hinab, und da lag sie vor uns: die Kooperative, die mal ein Hippienest gewesen war. Wie ein Schloss strahlte sie uns entgegen. Ein schönes altes Haus mit einem gepflegt verwilderten Garten, der voller Menschen war, die an kleinen Tischen unter großen bunten Sonnenschirmen saßen.
    »Das gibt’s nicht«, fing sich Renate als Erste von uns. Nele und ich vermochten das, was wir sahen, nicht einzuordnen, weil wir ja zuvor nie dagewesen waren.
    »Wie eine Kommune wirkt das Ganze wirklich nicht mehr«, versuchte ich das, was ich sah, mit wenigen Worten zu beschreiben.
    Wenn das die berühmte Kooperative war, so hatte sie sich ganz schön gemausert. Unweit des Haupthauses parkte eine Nobelkarosse neben der anderen, und die Golfanlage hinter dem Anwesen ließ den Olivenhain nur erahnen, den Renate uns bildreich all die Jahre beschrieben hatte. Etwas deplatziert machte sich Fuchur vor dieser Kulisse aus, und ich bedauerte es ein wenig, dass wir nicht mit Erika und ihrem Truck vorgefahren waren.
    »Uff«, sagte Renate. »Ich hab mit einigem gerechnet, aber nicht mit diesem Luxus.«
    »Man gönnt sich ja sonst nichts«, kommentierte Nele.
    »Unser Outfit passt hier allemal her«, kommentierte ich und warf einen Blick auf meine schwarzen Füße.
    »Na kommt. Jetzt ist alles egal«, meinte Renate, nachdem sie sich halbwegs vom ersten Schock erholt hatte. »Jetzt hab ich mich überwunden, und nun will ich auch alles wissen und alles sehen.«
    Schnell und ohne weiter nachzudenken, stieg sie aus dem Auto, rollte sich die Hosenbeine runter, strich sich kurz durchs Haar und zupfte die Halswindel zurecht. Auch Nele und ich stiegen aus. Etwas verhalten vielleicht und eher damit beschäftigt, dass Fips nicht sofort zu den Luxuskarossen schnürte, um sie mit seiner Duftnote zu markieren.
    Wie die Drei von der Tankstelle – abgerissen, unfrisiert, ungestylt und mit einer Promenadenmischung an der Leine – gingen wir Arm in Arm und immer noch ungläubig auf das prächtige Hotel in seiner unglaublichen Umgebung zu.
    »Vielleicht ist ja Konstantin Wecker da«, meinte Nele und suchte nach Worten für die Metamorphose, die wir versuchten zu verstehen. »Der war doch auch mal vom alten Schlag und reist heute mit ’nem Jaguar.« Statt bärtiger Männer in ausgewaschenen T-Shirts und schmalhüftigen Frauen in wallenden Kleidern nur Servicekräfte, so weit das Auge reichte. Hundertschaften von gestärkten Hemden und langen Schürzen wimmelten um die wohlhabenden Gäste herum und schienen zwischen Tischen und Liegestühlen zu schweben.
    Der gerollte Ziegenkäse von damals hatte eindeutig seinen Markt gefunden und sich im Laufe der Zeit bezahlt gemacht. Die Oliven hatten sich zuerst in ökologisch kaltgepresstes Öl und dann in klimperndes Geld verwandelt. Das Land, das die Kooperative damals gekauft hatte, musste mit den Jahren eine sprudelnde Quelle geworden sein.
    »Oberklassewagen und weißer Kies«, fasste ich die Situation mit Spontanlyrik zusammen.
    Renate hatte uns immer von einem alten Bauernhaus erzählt, von einem Schuppen und von einem See, auf dem Enten schwammen. Den See konnten wir noch erkennen. Er war Teil einer künstlich angelegten Parklandschaft geworden.
    »Ich würde sagen: einmal durchgehen, und dann machen wir die Flatter.«
    Die große Flatter, die Leonie Ossowski dereinst beschrieb und die damit Mannheims heruntergekommene Benz-Baracken literarisch verewigte. Jetzt wendeten wir den Spruch auf diese Luxushütte an. Es war klar, dass wir hier nicht bleiben würden, und diesmal bezog sich unsere Entscheidung keinesfalls aufs Geld.
    Gerade als wir uns umdrehen und gehen wollten, hörten wir Rufe von der Terrasse, von dort, wo die ganze gelackte Menschheit saß und sich an Panna cotta und Mascarpone labte. Zwei schmale Gestalten in hellen Sommerkleidern und mit Hüten auf dem Kopf winkten uns übermütig zu und hüpften auf und ab.
    »Meinen die
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