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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4
Autoren: Christine Weiner
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Nachdenklich betrachtete ich den bunten Abendhimmel.
    »Kommt ein Häschen …«, erinnerte uns Renate an Maiki, und wir hielten uns lachend die Ohren zu, obwohl sie nicht wirklich vorhatte, einen Häschenwitz zu erzählen.
    »Das war eine Geschichte«, lachte sie leise in sich hinein. »Kommt, ich gebe euch einen free hug !«
    Ach ja, dachte ich, das war schön gewesen, und ich schickte Joshi in Gedanken einen sehr liebevollen Kuss, der ihn an mich und die schönen Stunden erinnern sollte.
    Als wir Fuchur auf Erikas LKW verladen hatten, uns Urs ein letztes Mal anbrummte und wir, beinahe sentimental, eine Frau als Greta identifizierten, weil sie am großen Grill des Kleinen Alpenparadieses Burger wendete, als wir uns noch einmal umsahen und uns gebührend auch an den Regen erinnerten, da wurde uns dann doch recht schwer ums Herz. Wir hatten so ein Glück hier gehabt. So ein unglaubliches Glück. Hier auf diesem Platz, bei diesem unmöglichen Platzwart. Mit den überteuerten Brötchen und den geräuschempfindlichen Campern, die unsere Nachbarn gewesen waren. Wir hatten die schönsten Tage der letzten Jahre hier erlebt. Wir hatten im Regen gesessen, wir hatten im Matsch gewühlt, wir hatten uns gestritten, und wir hatten uns junge Männer geteilt. Wir hatten Unglaubliches erlebt, und all das wäre so nicht passiert, hätte eine von uns telefoniert oder Kreditkarten dabeigehabt.
    »Siehst du«, erinnerte mich Renate, »auch der ADAC wäre nicht gut gewesen, sondern nur ein Glücksverhinderer. Manchmal ist es gut, liegenzubleiben, denn man weiß nie, was danach kommt.«
    Ich nickte. Ja, alles war gut genau so, wie es gekommen war. Und Engel hatten wir dennoch gehabt, nur waren sie nicht gelb gewesen.
    »Wir kommen wieder einmal her«, versprach Nele, und Renate und ich waren froh, dass sie das sagte. Dank dieses Versprechens fiel es uns leichter, mit Erika loszufahren, statt uns wie heulende Kinder mit den Händen an die Klinke der Rezeption zu hängen.
    Erika drückte aufs Gaspedal, der Motor röhrte, und dann rollten wir langsam los, mit Blick gen Süden.
    Es mangelte Erika allerdings an jenem Quäntchen Feingefühl, das es braucht, um anderen Menschen die Abschiedsmelancholie zu gönnen. Kreuzfidel und ohne Punkt und Komma stopfte sie uns die Ohren voll, und eine Reisegeschichte war aufregender als die andere.
    »Jägerlatein«, flüsterte mir Renate müde zu. Wir saßen in dem Fahrerhäuschen ziemlich gepresst, aber Erika schien uns als Publikum zu genießen. Erst als wirklich niemand von uns mehr etwas sagte und selbst Fips nur noch schnarchte, kapierte sie, dass wir zu müde waren, um auf all die Geschichten einzugehen. »Na, dann werd ich ein bissel funken«, wählte sie sich ins Netz der anderen Trucker ein.
    »… und mittem Hund, des gloobste nicht! … Neee, nit auf meinem Schoß, der hockt hinten, zwischen de Ladys.«
    Sie lachte rauchig.
    »Nee, nee, der bleibt hübsch bei de Mädels. Auf Dauer wär mir datt zu viel. Der braucht viel Streicheleinheiten … dett iss nämlisch än Mann, weißte, was isch mein.«
    Wieder lachte sie rauchig, und wir ließen unsere Köpfe müde an den Scheiben ruhen, Renate vorne rechts, Nele hinten links, ich hinten rechts, und nur Fips blickte manchmal auf und betrachtete das an der Scheibe tanzende Inventar. Es war bereits dämmerig, und der Himmel vor uns zeigte sich in Babyfarben – hellblau, mit leuchtenden Wolken, die rosafarbene Kleidchen trugen.
    »Nöö, wir fahren die Nacht durch. Wat meenste? Wo wird geblitzt? Oooch, mein Lieber, bis die blitzen, bin icke schon hundert Kilometer weit. Hö, hö, hö. Bis die Schweizer ›Wurst‹ saachen, hab ich se schon jejesse. Har, har, har. Na, oben steht der, zweite Etage auf’m LKW . Papiere? Komm, vergiss et, braucht Mutti nicht. Har, har, har.«
    Wir ließen uns von Erika sanft durch die Nacht fahren. Mit der einbrechenden Dunkelheit wurde es immer stiller im Fahrerhäuschen. Nur ab und zu kam ein Funk, und Erika antwortete oder lachte leise.
    Fuchur wackelte auf der zweiten Etage des Anhängers. Der Anblick hatte uns beim Aufladen sehr gefallen, er sah paradiesvogelhaft aus zwischen all den anderen Wagen. Kurz vor der Grenze würden wir Fips in unserem Wagen gut verstauen. Mit einer guten Leckerei würde er schon im Fußraum bleiben, und die wenigen Minuten gingen sicher schnell vorbei.
    Wie auf einem Kamelrücken schaukelten wir gen Italien. Die Lichter wackelten an uns vorbei, Fips schnarchte auf meinem Schoß. Kilometer
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