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Drei Eichen (German Edition)

Drei Eichen (German Edition)

Titel: Drei Eichen (German Edition)
Autoren: Helmut Vorndran
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Niemals.
    Er atmete tief durch, und ein kaltes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Also gut. Dann würde er seinen Aufenthalt in Deutschland eben verlängern, und der Jagdausflug würde etwas umfangreicher als geplant werden. Im Improvisieren war er schon immer gut gewesen. Improvisieren war auch beim Jagen sehr wichtig, und deshalb war er ja schließlich gekommen. Zum Jagen.
    Irrlinger blickte auf seine Uhr. »Liebe Kameraden«, sagte er laut, »es hilft nun alles nichts, die Auszählung läuft, und wir können nichts anderes tun, als zu warten. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mit mir zusammen in diesem Raum die Zeit bis zur Entscheidung verbringen würdet. Immerhin kann ich euch mit einem Buffet und gekühlten Getränken locken. Außerdem habe ich extra für diesen historischen Tag einen Fernseher bringen lassen, der uns bezüglich der Hochrechnungen auf dem Laufenden halten wird.« Er schaltete den achtundvierzig Zoll großen Fernseher von Loewe ein und gab sich genüsslich dem Applaus hin. »Natürlich ein fränkisches Produkt, wie ihr seht, liebe Kameraden. Und jetzt wünsche ich uns allen einen spannenden und vor allem erfolgreichen Wahlabend.« Er drehte den Ton am Fernseher so laut, dass man sich in einem kleinen Kino wähnen konnte.
    In der folgenden Zeit unterhielt sich Gerhard Irrlinger mit dem einen oder anderen Gast, blieb aber stets in der Nähe des Fensters und schaute auch immer wieder vorsichtig durch einen Spalt in den Garten hinaus.
    Im Fernsehen wurde die spannende Situation immer und immer wieder von allen Seiten beleuchtet und diskutiert. Fachleute wurden befragt, Wählerwanderungen gedeutet, Motivationslagen erklärt. Doch nach eineinhalb Stunden und der zweiten Hochrechnung des Frankenfernsehens stand es nach wie vor unentschieden. Kurz danach hielt sich Gerhard Irrlinger wieder am Fenster des Chargiertenzimmers auf und schaute in die diffuse Nachtbeleuchtung. Aufmerksam beobachtete er, was dort draußen vor sich ging. Als die Person in ihrem großen Wagen davonfuhr, drehte er sich von seinem Fenster weg und lächelte zufrieden in den Raum. Hoffentlich war damit das Problem gelöst.
    »Was ist los, Gerhard, haben wir gewonnen?«, fragte ihn der Fechtwart. Er war in voller Wichs gekommen und deutete Irrlingers Lächeln so, als wüsste dieser bereits mehr als alle anderen.
    »Nein, Gottfried, ich weiß genauso viel wie ihr. Es ist nur meine unerschütterliche Zuversicht, die mich lächeln lässt.«
    Der Fechtwart lachte wissend. »Natürlich, Gerhard, was sonst?« Dann nippte er von seinem Sekt, den er schon geraume Zeit durch die Gegend trug.
    »Aber, Gottfried? Hol doch schon mal unsere Fahne, die können wir hier gut gebrauchen, wenn das Ergebnis durchgegeben wird. Und dann werden wir zur Feier des Tages den Coburger Marsch spielen lassen.« Irrlinger schaute noch einmal prüfend auf seine Uhr.
    »Gute Idee«, sagte der Fechtmeister und stellte sein Sektglas auf die Seite.
    »Ist die nicht im Paukraum?«, fragte Irrlinger sicherheitshalber nach.
    »Stimmt. Lass nur, ich hol sie gleich.« Eilig ging Gottfried Eckstein hinaus.
    Gerhard Irrlinger schaute derweil noch einmal aus dem Fenster. Im Gras konnte er schemenhaft etwas regungslos liegen sehen. Alles war so, wie es sein sollte.
    Einige Momente später betrat Fechtwart Gottfried Eckstein wieder den Raum. Ohne Fahne, allerdings mit kreidebleichem Gesicht.
    »Wo ist die Fahne?«, fragte ihn Irrlinger fast vorwurfsvoll.
    Eckstein trat nahe an ihn heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin die beiden Männer das Chargiertenzimmer verließen und unter der Führung des aufgelösten Fechtwartes zum Paukraum hinübergingen, wo Eckstein erkennbar unter Schock stehend die Tür öffnete. Der Anblick, der sich ihnen bot, war grauenhaft. Der Raum war voller Leichen, die Wände und der Boden des Paukraumes waren voller Blut, und durch das zerbrochene Fenster strömte kühle Mailuft herein.
    Irrlinger legte dem Fechtwart die Hand auf die Schulter. »Das ist ja schrecklich. Wie spät ist es?«
    Der sichtlich um Fassung ringende Fechtwart schaute auf seine Uhr. »Halb zehn«, presste er hervor.
    »Gut. Wir müssen umgehend die Polizei verständigen. Das übernimmst du. Aber bis die Beamten hier sind, hältst du diese Tür verschlossen und erzählst niemandem ein Wort, verstanden? Ich möchte nicht, dass unnötige Aufregung entsteht. Ich werde unten vor der Tür auf die Polizisten warten und dann alles Weitere mit ihnen klären.«
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