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Draussen

Draussen

Titel: Draussen
Autoren: Lachmann
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genug, anscheinend. Bin immer noch total betrunken. Wie spät ist es denn?« – »Kurz nach zehn. Ich hatte dich vor ’ner Stunde ungefähr angerufen. Darf ich reinkommen?« – »Klar.« Wir setzten uns ins Wohnzimmer und Ulf öffnete seine mitgebrachte Flasche Wein. »Da muss ich mich ja beeilen, bei dem Vorsprung, den du hast.« Ulfs Grinsen schien sehr angestrengt. »Ich glaub’ ich mach mal ’ne Pause«, sagte ich, als er mir einschenken wollte. Während ich gähnte, bemühte ich mich, die Augen offenzuhalten, und fragte: »Was ist denn los?« – »Ulrike hat Schluss gemacht.« – »Was?« Schlagartig war ich etwas wacher. »Wieso denn das? Das gibt’s doch nicht! Da ist doch bestimmt nicht das letzte Wort gesprochen!« – »Sie hat sich verliebt. In einen Arbeitskollegen. Sie hatte anscheinend gar nicht so viel Stress in der letzten Zeit, die ›Überstunden‹ hat sie mit ihm verbracht.« Ich verstand die Welt nicht mehr. Ulf und Ulrike, nicht nur wegen der vielen »Us« schienen sie doch perfekt zusammenzupassen. Und obschon mir Ulf ja von kleineren Streits erzählt hatte, konnte ich nicht glauben, dass man sich so schnell wieder trennen konnte. Die beiden waren ja noch gar nicht lange zusammen und schienen so glücklich! Wie konnte das nur sein? Das war ja total ungerecht und entmutigend! Da dachte Ulf, er hätte endlich seine Traumfrau gefunden, und dann sowas. Das sagte ich ihm auch. »Das tut mir so leid, ihr habt so gut zusammengepasst, ich bin ganz geplättet. Sie war doch so verliebt?« – »Na ja, anscheinend wollte sie schon länger was von dem Kollegen. Aber der nicht von ihr. Und erst als sie dann mit mir zusammen war, hat der gemerkt, dass er sie doch toll findet. Und dann war sie erst etwas ratlos, hat sich letztlich aber doch für ihn entschieden. Es ist schrecklich, aber wenn sie mit ihm glücklicher ist als mit mir, ist es gut. Ich will doch, dass sie glücklich ist!« Er fing an zu schluchzen und trank einen großen Schluck aus der Flasche, weil ich ihm noch kein Glas gebracht hatte. Anscheinend brauchte er ja auch gar keins. Wie großmütig! Er wollte, dass sie glücklich war! Ich dachte an »Lieben heißt loslassen können«, an die Geschichte mit dem Vogel in dem Käfig – von wem war die noch? – und den ganzen Scheiß, und daran, dass das immer so wehtun musste und warum es denn nicht einmal einfach passen konnte, und fing auch gleich mit an zu heulen. »Vielleicht haben wir heute ja auch eine beschissene Sternenkonstellation?« schluchzte ich. »Glaubst du etwa an sowas?« kam von Ulf zurück. »Nö. Das heißt, ja, wenn’s als Ausrede hilfreich ist, schon.« – »Wieso hast du dich eigentlich betrunken?« Ich erzählte Ulf von meinen alkoholisierten Heldentaten und erreichte immerhin, dass er etwas lachen musste. »Oh Mann, das bringst aber auch nur du! Der Arme!« Er verbesserte sich rasch: »Du Arme, wollte ich sagen!« und nahm mich in den Arm. »Wir Armen!« fügte ich hinzu und nahm doch auch noch einen Schluck. Mhmm, der schmeckte aber auch nicht schlecht.
    Nachdem wir auch diese Flasche geleert hatten, wobei ich mich zurückgehalten hatte, und Ulf dann noch eine aus seinem Rucksack gezaubert und halb leergetrunken hatte, sah er mich plötzlich mit glasigen Augen an und sagte: »Wir kennen uns jetzt schon so lange. Und sind nie auf die Idee gekommen, etwas miteinander anzufangen. Warum eigentlich nicht? Wir mögen uns, wir kennen uns, warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Vielleicht passt es total gut. Wir müssen es nur mal ausprobieren!« Ich war verwirrt und fragte: »Aber wir sind doch Freunde! Gute Freunde! Wie stellst du dir das vor mit dem ›Ausprobieren‹?« Ulf kam mit seinem Gesicht ganz nah an meines heran, ich sah seine Aufregung, spürte seinen schweren Atem und hoffte inständig, dass er nicht erregt war. Ulf und meinetwegen erregt, das ging einfach nicht. Das war so, als würde man von Robbi und seinem Fliewatüüt erregt. Oder von Wickie. Wobei es bestimmt Menschen gab, die … aber lassen wir das. Er sagte: »Küss mich!« Wie stellte er sich das denn vor? Ich konnte ihn doch nicht küssen! Ulf war immer ganz und gar asexuell für mich gewesen. Niemand, den man, also ich, küsste! Ein alter Freund aus der Schule. Wir hatten uns immer unsere Frauen- und Männergeschichten erzählt, es war nie etwas zwischen uns gewesen. Gut, ganz am Anfang, als wir uns kennenlernten, hatte ich vielleicht ein wenig für ihn geschwärmt, aber er
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