Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Draussen

Draussen

Titel: Draussen
Autoren: Lachmann
Vom Netzwerk:
mit ihm verscherzt. Aber einfach nur auf sein Profil zu gehen und mich dann wieder davonzumachen, hatte etwas von Klingelstreich und war noch peinlicher. Also schrieb ich ihm eine kurze Nachricht: Hi! Auch hier? Grüße, Sara! Ich drückte auf »Senden«. Ich hatte mich nicht entblödet, »Auch hier?« zu schreiben! Den konnte ich wohl getrost abhaken. Ich wollte gerade meine Schokoladenvorräte überprüfen, da klingelte mein Handy. Mathis! Ich war so panisch, dass ich es erstmal klingeln ließ, um dann gerade rechtzeitig noch dranzugehen: »Lange, hallo?«, fragte ich blöde, und es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte noch ein »Wer ist denn da?« hinzugefügt. »Hi, hier ist Mathis.« Irrte ich mich oder klang er wirklich etwas angestrengt? »Danke für deinen Anruf. Es geht mir gut. Wie geht’s dir?« Sollte ich ihm jetzt alles sagen? Wie sehr ich mich nach ihm verzehrte? Dass ich ihn unbedingt wiedersehen wollte und all das? So wie Steffi mir geraten hatte? Ich entschied mich dagegen. »Ganz gut geht’s mir, danke. Viel zu tun. Im Büro.« – »Ja, ich auch. Sorry, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe (Hört, hört!), aber bei uns ist das ganze Computersystem zusammengebrochen und wir haben Tag und Nacht daran gearbeitet, das wieder in Ordnung zu bringen.« Ich jubilierte innerlich. Es lag nicht an mir! Er hatte einfach zuviel Arbeit gehabt, um sich zu melden. »Was machst du am Wochenende?« Er fragte mich, was ich am Wochenende machte! Juhu! Jetzt nicht zu verfügbar erscheinen. »Ich bin auf dem Geburtstag von meinem besten Freund Samstagabend, das wird bestimmt ’ne tolle Party und Sonntag werde ich vielleicht ein bisschen im Eimer sein, aber auch nicht so sehr, dass ich nichts unternehmen könnte …«, schwafelte ich. »Ach, das hört sich doch nett an. Ich fahre mit Freunden an die Ostsee von Freitag bis Sonntag. Da freu ich mich schon seit Wochen drauf.« Ich versuchte, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, und trällerte eine Spur zu fröhlich: »Ach, die Ostsee! Strand und Wellen! Wie herrlich!« – »Ja. Hoffentlich spielt das Wetter mit. Na dann. Wir bleiben in Kontakt, ne?« Schon wieder diese blöde, unverbindliche Floskel. »O.k.! Kannst dich ja melden, wenn du wieder da bist. Wenn du Zeit hast. Und Lust, natürlich. Schönes Wochenende! Hallo?« Er hatte schon aufgelegt. Ich wusste gar nicht, wie lange ich schon in den leeren Raum geredet hatte. Peinlich berührt warf ich das Handy aufs Sofa. So. Das war’s dann wohl mit Mathis. Von wegen, »Ich nehm den Nächsten«! Daran, dass ER MICH nicht wollen könnte, hatte ich gar nicht gedacht. Wie arrogant! Selbst schuld. Jetzt bekam ich die Quittung für all die Männer, die ich vorschnell abgeurteilt hatte. Wegen Kleinigkeiten. Wer weiß, vielleicht fand Mathis meine Beine zu kurz oder meine Stimme zu grell oder meine Füße zu groß oder irgendwas anderes? Was konnte es sein? Ich suchte nochmal nach Schokolade und fand einen alten Weihnachtsmann. Er schmeckte etwas ranzig, aber sein Mindesthaltbarkeitsdatum war auch schon vor zwei Jahren abgelaufen. Na, im Krieg hatten wir ja auch alles gegessen. Dann machte ich mir eine Flasche Rotwein auf und leerte das erste Glas so gierig, als hätte ich davor stundenlang an einem Salzstein geleckt. Ich schenkte mir nochmal ein. Was war denn so toll an diesem Mathis? Er war doch wirklich keine Schönheit. Reizte mich nicht hauptsächlich, dass er mich nicht wollte? Ich war mir nicht mehr sicher. Ich trank. Wir verstanden uns doch eigentlich total gut! Wir hörten die gleiche Musik, hatten eine ähnliche politische Einstellung und interessierten uns für dieselben Dinge. Eigentlich passten wir wirklich total gut zusammen, warum wollte er das denn nicht kapieren? Ich schenkte mir nochmal ein. Die Stille in meiner Wohnung machte mich etwas unruhig, also schaltete ich das Radio an. Der Offene Kanal war eingestellt. Wenn man den hörte, fand man die überfröhlichen »Beste-Hits«-Ankündiger gar nicht mehr so schlimm. Ich dachte, die Arbeit beim Offenen Kanal war freiwillig? Diesen Sender hörten bestimmt auch Selbstmörder kurz vor ihrer Tat, um ganz sicherzugehen, dass sie nicht doch in letzter Minute kneifen würden. Ich setzte mich vor den Fernseher, es kam »Bauer sucht Frau« und ich ertappte mich dabei, wie ich ernsthaft darüber nachdachte, ob ich mir ein Leben auf dem Lande mit »dem Andi, 36« oder einem anderen Landwirt vielleicht doch vorstellen konnte. Immerhin war man viel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher