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Draussen

Draussen

Titel: Draussen
Autoren: Lachmann
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ich. Leider waren die Toiletten genau auf der gegenüberliegenden Seite des Ausgangs und das Fenster im Damenklo so klein, dass es schon einer wesentlich brisanteren Situation bedurft hätte, eine Flucht durch dasselbe auch nur in Erwägung zu ziehen. Schließlich war ich nicht Bruce Willis. Hätte mir aber eh nichts genutzt, denn der hätte da erst recht nicht durchgepasst.

    Als ich wiederkam, war Georg weg. Dafür knieten die beiden Kellner und die alte Dame vom Nebentisch auf dem Boden und redeten wild durcheinander. Unten lag: Georg. Mit hochrotem Kopf wand er sich röchelnd auf dem Boden. Er schien ihnen etwas mitteilen zu wollen. Und schon eilte die alte Dame auf mich zu: »Da sind Sie ja! Was ist mit Ihrem Mann?« Ich wollte gerade erklären, dass Georg und ich weder verheiratet noch sonst irgendwie verbandelt waren und es ganz bestimmt auch nie sein würden, egal, was für ein Theater er machte, da rief die Frau: »Wir müssen den Notarzt rufen! Schnell!« – »Alles frisch, alles frisch!« war das Einzige, was dem Kellner dazu einfiel. Blitzschnell kombinierte ich: »Waren da Erdbeeren in ihrem Begrüßungscocktail?« – »Alles frisch!« – »ERDBEEREN! Er hat eine Allergie!« – »Ja, Erdbeeren im Getränk. Aber frisch!« Ich sah, wie Georg in Richtung seiner Aktentasche fuchtelte. Ich schnappte sie mir und wühlte. Gott, eine Damenhandtasche war nichts dagegen. Alte Bons, gebrauchte Taschentücher, lose Fisherman’s, sogar ein Kondom – wofür er das wohl brauchte? War bestimmt schon abgelaufen. Na ja, jetzt hatte erstmal etwas anderes Vorrang. Ich entdeckte ein kleines braunes Fläschchen und wollte gerade das Etikett studieren, um Georg behutsam ein paar Tröpfchen in den Mund zu träufeln, da hatte er es mir schon entrissen und trank gierig ein paar Schlucke. Im selben Moment hörte ich draußen das Martinshorn. Es hatte anscheinend tatsächlich jemand den Notarzt gerufen.

    Das Antihistaminikum wirkte schnell. Als die Herren in Weiß den Raum betraten, ging es Georg schon sichtlich besser. Er lag zwar noch auf dem Boden, bekam aber anscheinend wieder besser Luft. Zwei Rettungssanitäter kümmerten sich um ihn, maßen Blutdruck und Puls und beruhigten den inzwischen kreidebleichen Allergiker. Zu meinem Entsetzen hörte ich Georg sagen: »Ich hab keine Luft mehr gekriegt, weil ich eben allergisch bin. Und sie hat mir das Leben gerettet. Eben mit dem Antihistaminikum.« Er zeigte auf mich. Ach du Scheiße. Wollte er mich jetzt heiraten und mir das halbe Königreich vermachen? Da kam schon einer der beiden Sanitäter auf mich zu. Er musste so Mitte zwanzig sein – genau meine Zielgruppe also –, hatte schwarze Locken, tiefbraune Augen und breite Schultern sowie eine entzückende kleine Narbe über der linken Augenbraue. Er lächelte mich an: »Na, das ist ja noch mal gutgegangen. Wir würden Ihren Freund aber trotzdem gern zur Beobachtung mitnehmen.« – »Meinen Bekannten, entfernten Bekannten, um genau zu sein, wir haben uns hier heute erst zufällig kennengelernt und, wie soll ich sagen, dabei wird’s wohl auch bleiben, aber nehmen Sie ihn ruhig mit, oder eigentlich können wir uns ja auch duzen, wir sind ja fast gleich alt, darf ich dich auf einen Drink einladen?«, wollte ich sagen, brachte aber nur »Mhm« hervor und fügte dann immerhin schnell hinzu: »Nehmen Sie ihn ruhig mit.« – »Wollen Sie bei uns mitfahren oder fahren Sie hinterher?« – »Mitfahren? Wozu?« – »Äh, wir bringen Ihren Freund in die Uniklinik und Sie möchten doch bestimmt mit?« – »Nein danke, mir geht’s ganz gut …« Da schaltete sich die alte Dame vom Nebentisch ein. »Kindchen, Sie sind ja noch ganz durcheinander. Natürlich fahren Sie mit Ihrem Mann mit.« Sie reichte mir Georgs Jacke, das heißt, eigentlich war es ein Blouson aus einer Art Fallschirmseide in einer Nichtfarbe, die changierte zwischen vierzig Jahre altem, ehemals weißem Rauputz und Erbrochenem, wenn der Erbrechende Vanillepudding mit Himbeersoße gegessen hatte.
    »Oh, entschuldigen Sie, ich wusste nicht, dass Sie verheiratet sind.« Der hübsche Sanitäter lächelte verlegen. »Na ja, Sie tragen ja auch keine Ringe. Meine Frau und ich haben uns auch dagegen entschieden. Braucht man ja auch nicht. Also, fahren Sie bei uns mit?« – »Ich bin nicht verheiratet und ich – na gut, ich komm erstmal mit. Ist ja eh meine Richtung.« Irgendwie tat Georg mir auch ein bisschen leid.
    Er saß inzwischen wieder auf einem Stuhl und freute
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