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Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles
Autoren: Robert Sheckley
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– damit könnte ich mich zur Not noch abfinden-, nein, es ist durch und durch böse.«
    »Ja, das ist es«, gab Otho zu. »Wer anderen den Tod bringt, um seine eigene Existenz zu verlängern, mag gewiß von denen, deren Leben genommen werden sollen, böse genannt werden. Aber werden wir doch nicht sentimental. Töten, um zu leben, ist ein universaler Grundsatz. Da gibt es für nichts und niemanden eine Ausnahme. Für die Möhre ist das Kaninchen die Verkörperung des Bösen. Und so ist es überall auf der Kette des Lebens.«
    Über dem Auswertungstank ertönte ein Alarmsignal. Der Operationschef rief Dramokles zu, daß Rufus’ Schiffe keinen Kontakt mehr mit dem Feind hatten und sich immer weiter zurückzogen. Es mußte sofort eine Entscheidung gefällt werden, wenn Dramokles noch die Hilfe der Flotte von Druth wollte.
    »Ich kann uns noch ein paar Augenblicke verschaffen«, sagte Otho. »Ich werde einen sehr kleinen Nexus herstellen, der uns ermöglicht, vorübergehend außerhalb der Zeit zu operieren, während wir unsere Diskussion beenden.«
    Otho stellte einen kleinen Nexus her. Er sah aus wie eine Halbkugel aus einem leuchtenden, gazeartigen Material und hüllte das gesamte Kriegszimmer ein.
    »Ich habe dich immer als liebenswürdigen Vater und mitfühlenden Menschen gekannt«, sagte Dramokles. »Wie kannst du den Tod von Millionen Menschen in Betracht ziehen, selbst wenn du dadurch für dich Unsterblichkeit erreichst?«
    »Du siehst diese Sache aus einer falschen Perspektive«, sagte Otho. »Vom Standpunkt eines Unsterblichen aus sind Menschen so kurzlebig wie Stubenfliegen. Trotzdem, wenn ich könnte, würde ich sie verschonen. Doch wenn du die Chance hast, ein Gott zu werden, sind menschliche Moralmaßstäbe nicht länger angemessen.«
    »Das ist mir zuviel«, sagte Dramokles.
    »Dann vergiß die Unsterblichkeit. Sie ist sowieso nur ein idealisiertes Konzept. In Wirklichkeit sprechen wir über eine Langlebigkeit mit offenem Ende. Wir versuchen, von einem Moment des Lebens zum nächsten zu gelangen, so wie alle lebenden Wesen. Dieser Augenblick und die Hoffnung auf den nächsten sind alles, was wir haben.«
    »Wir haben diesen Augenblick«, sagte Dramokles, »und wir töten, um zum nächsten Augenblick zu gelangen, und so geht es für immer weiter. Ist das so richtig?«
    »Nicht für immer«, sagte Otho. »Nur solange, wie du es wünscht. Für einen Tag oder für immer zu leben, beides erfordert die gleichen, oft traurigen Entscheidungen. Um zu leben, braucht man Energie. Eine Rose braucht Energie ebenso wie ein Rosenkreuzer. Der Tod ist immer die Folge eines Mangels an Energie.«
    Otho machte eine Pause, um nachzusehen, wie der Nexus sich hielt. Er löste sich mit der üblichen Geschwindigkeit auf. Ein paar Augenblicke blieben noch.
    »Da Energie für die Existenz unabdingbar erforderlich ist, müssen wir nach Energie suchen, um unsere Existenz zu sichern. Aber du mußt die Folgen begreifen, die sich daraus ergeben. In der Natur gibt es keine Homöostase, keinen Punkt, wo du sagen kannst, in Ordnung, es ist genug, ich werde mich eine Zeitlang einfach treiben lassen. Es ist niemals genug, es muß immer neue Energie geben, Energie oder Tod. Dieser Kampf ums Überleben ist ein universaler Grundsatz. Die Energie, die einer für sich selbst verbraucht, ist böse für alle anderen Sucher, und das gilt in allen Bereichen des Lebens. Wenn die Intelligenz auf der Bildfläche erscheint, wird der Energiebedarf größer, die moralische Frage akuter. Und jetzt stehen wir an dem Punkt, wo die Intelligenz den Instinkt hinter sich lassen oder untergehen muß. Du stehst vor der Wahl, Dramokles, wie ein Gott zu leben oder wie ein Mensch zu sterben. Nun hast du alle Informationen. An dir ist es nun, zu entscheiden.«
    Ehe Dramokles sprechen konnte, trat sein Computer vor, mit wehendem Mantel. »Ich muß darauf hinweisen«, sagte er, »daß keineswegs bereits alle Informationen gegeben wurden. Dramokles, ich habe, worauf Sie so lange gewartet haben. Es ist der Schlüssel. Der Schlüssel-Schlüssel. Und er wird Ihnen den Weg zur Schlüssel-Schlüsselerinnerung öffnen.«
    »Sage ihn mir«, forderte Dramokles ihn auf.
    »La plume de ma tante«, sagte der Computer.
    41
    Der Schlüssel-Schlüssel löste die Erinnerung an einen Tag vor dreißig Jahren aus. Otho hatte Glorm soeben in seiner Raumjacht verlassen. Er war unterwegs zu seinem Labor auf dem Mond Gliese, den er bald sprengen und sich so scheinbar selbst in einer
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