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Drake (German Edition)

Drake (German Edition)

Titel: Drake (German Edition)
Autoren: H. D. Klein
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nicht gerade zweitklassig. Trotzdem, in dieser jungen, aristokratischen Liga konnte sie nicht mitspielen.
    »Guten Morgen, Miss Mulholland!«
    Was für eine Stimme! Sie klang dunkel und rauchig, mit einem kleinen Kiekser in der Oberlage. Caitlyn war wie jeden Morgen fasziniert von diesem Klang. Es schien mehr eine nebensächlich dahingehauchte Bemerkung in ihre Richtung zu sein als eine ernst gemeinte Begrüßung. Trotzdem kamen die Worte klar und deutlich bei Caitlyn an. Vielleicht erzeugte die enorme Oberweite von Eloise dieses einmalige Stimmvolumen. Oder sie benutzte irgendwelche stimmverändernden Nanos, die sie versteckt an ihrer Kleidung trug. Genügend Technik war dort schon rein äußerlich zu sehen. Ein schwaches Flimmern zeigte Caitlyn, dass Eloise Designermorphs benutzte, die das Outfit ihrer Kleidung stetig veränderten. In ein paar Stunden würde hier nicht mehr eine Eloise in einem beigen Kostüm sitzen, sondern vielleicht in einem einfachen gelben Einteiler. Je nach individueller Programmierung. Für Caitlyns Geschmack war das ein ein bisschen zu billiger Gag, aber wie gesagt, Eloise war noch blutjung und der modische Schnickschnack passte zu ihr.
    Bevor Caitlyn den Gruß erwidern konnte, fügte Eloise noch hinzu: »Mr. Sternberg erwartet Sie schon im Salon.«
    Kleines Biest! Das war genau das, was sie an diesen vermeintlichen Assistentinnen so hasste: Sie waren immer einen Schritt voraus, ohne jeglichen Respekt für das Gegenüber – und übten dabei ganz leise einen unmerklichen Druck aus.
    Sie unterdrückte eine entsprechende Bemerkung und wandte sich dem langen Gang zu, der in den Salon führte.
    »Vielen Dank, Eloise!«, entgegnete sie im Gehen. Wie jeden Morgen.
    Der breite und sehr hohe Gang zum Salon war mit einem knallroten kurzfaserigen Teppich belegt, der durch eine spezielle Dämmung jedes noch so unscheinbare Geräusch ihrer Schritte unterdrückte. Die eigentliche Sensation dieses Ganges waren jedoch die Bilder, die an den Wänden hingen. Es waren Molekularkopien berühmter Gemälde. Mit diesen Exemplaren konnte man jeden Sachverständigen in den Wahnsinn treiben. Er hätte auf keinen Fall entscheiden können, ob hier an den Wänden die Klassiker der Vergangenheit hingen oder ob es Fälschungen waren.
    Wobei man noch nicht einmal von Fälschungen im eigentlichen Sinne sprechen konnte. Es waren exakte molekulare Klone der echten Kunstwerke, jedes für sich in einem aufwendigen Verfahren dupliziert und alleine deswegen schon ein Vermögen wert.
    Die Decke des Ganges war so hoch, dass selbst das barocke Kunstwerk Caravaggios, ›Die Berufung des heiligen Matthäus‹, mit über drei Metern Höhe ausreichend Platz fand. Caitlyn passierte das in ihren Augen kitschige Gemälde ebenso wie Corinths ›Selbstbildnis mit Strohhut‹ oder Manets ›Frühstück im Freien‹. Sie zögerte bei Magrittes ›Pyrenäenschloss‹ und bei Cezannes ›Blauer Vase‹, um schließlich vor dem ›Großen Wald‹ von Max Ernst stehen zu bleiben.
    Das Werk faszinierte sie jeden Morgen aufs Neue. Gleichzeitig bekam sie Beklemmungen beim Betrachten. Max Ernst musste wirklich ein sehr unsteter Mensch gewesen sein. Nirgendwo zu Hause und ständig auf der Suche nach etwas Neuem. Wie sie selbst. Vielleicht kam von daher eine Art Seelenverwandtschaft zustande. Nur diese Düsternis in dem Gemälde konnte sie nicht nachvollziehen. Auch das Gefühl von einem großen Wald stellte sich ihr beim Betrachten nicht ein. Eher die Vorstellung eines verkohlten Holzstoßes bei Mondaufgang. Oder sollte diese gelbliche Scheibe mit dem schwarzen Kreis mehr einen Sonnenaufgang darstellen?
    Unschlüssig ließ sie das dunkle Bild noch ein paar Sekunden auf sich einwirken und ging dann weiter. Zwei Picassos und den Döblin nahm sie noch wahr, dann konzentrierte sie sich auf ihre bevorstehende Arbeit, den Bericht über Escorial, einen Planeten, der einen Teil von Sternbergs gigantischem Projekt darstellte.
    »Guten Morgen, Miss Mulholland!«
    Estella, ein weiteres Subjekt aus der Clique der Unnahbaren, begrüßte sie am Ende des Ganges. Ihre äußerlichen Vorzüge lagen im Besitz einer ungewöhnlichen, geraden Nase, türkis-blauer Augen und einer märchenhaften blonden Lockenpracht. Darüber hinaus hätte ihr Eloise durchaus etwas von ihrer Oberweite abgeben können, denn Estella war gertenschlank, ohne großartige Anzeichen von irgendwelchen Kurven auf ihrer Körperlinie. Ansonsten präsentierte sie sich im gleichen Strickmuster wie
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