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Drake (German Edition)

Drake (German Edition)

Titel: Drake (German Edition)
Autoren: H. D. Klein
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Biegung war entscheidend.
    Sie richtete sich leicht auf und stellte ihre Füße ein wenig nach innen, um etwas Fahrt wegzunehmen, glitt ganz nach rechts außen und peilte die Ecke des Hauptganges an, der in die große Galerie führte. Im richtigen Moment ging sie in die Hocke und nahm mit weit ausholenden Schritten wieder Fahrt auf.
    Das große Finale über den gläsernen Boden der Galerie. Hier schien sie im freien Fall zu schweben. Licht drang von oben und unten durch die ausladende Glaskonstruktion in den breiten Gang herein und bereitete die letzten Meter vor ihrem Ziel zu einem wahren Genuss.
    Ein letzter kleiner Spurt und dann war sie angekommen.
    Enttäuschte Kommentare vor den Frames und ein bedauerndes Zuwenden an die tägliche Arbeit.
    Caitlyn steuerte einen der beiden altertümlichen Sessel an, die ein aufwendiges, mit Holz verziertes Portal flankierten.
    Der Eingang in die Löwengrube, in das Allerheiligste der Einheit, bezeichnenderweise von allen Almighty genannt, aber freilich nur hinter vorgehaltener Hand.
    Für Caitlyn war das Portal nichts weiter als der Eingang zu ihrer Arbeitsstelle, eine Ehrfurcht vor den Mächtigen war ihr fremd. Respekt ja, aber keine Unterwürfigkeit. Sie hatte sich schon früh darauf trainiert, vor den Großen nicht in die Knie zu gehen. Es war ein Teil ihres Lebensplanes, allen gegenüber gleich aufzutreten. Den Großen wie den Kleinen. Allerdings musste sie schon bald erfahren, dass es schwierig war, mit ihrer offenen Art den ihr scheinbar Unterlegenen zu begegnen. Oft wurde sie falsch interpretiert, was meistens ihre männlichen Gegenüber zu Anzüglichkeiten ausnutzten.
    Falsch, dachte sie und grinste in die Überwachungsbox des Portals hinein. In der Hinsicht waren sie alle gleich, es war nur schwieriger, den einfach gestrickten Mann wieder loszuwerden.
    Wieder falsch. Vor einiger Zeit hatte sie Monate gebraucht, bis sie Louis Carthage, dem Vorstandsvorsitzenden von Data Time, begreiflich machen konnte, dass ihr Lächeln als nichts anderes als ein Lächeln gedacht war. Es hatte sie einen ziemlichen Aufwand an Energie gekostet, all die Einladungen zum Essen und anderen Veranstaltungen höflich, aber bestimmt zurückzuweisen. Die Energieleistung hatte sich jedoch gelohnt, heute war Louis einer ihrer besten Freunde und Gönner, und das in einer höchst dotierten gesellschaftlichen Stellung.
    Männer eben.
    Trotzdem – mit Männern kam sie im Grunde genommen bestens aus. Nur für Frauen war sie der Staatsfeind Nr. 1.
    In den Augen ihrer Artgenossinnen war sie schlicht eine Beleidigung.
    Zu intelligent, zu sportlich und vor allem zu schön.
    Caitlyn berührte ein schnörkelloses M (für Mirror) an der Wand.
    Kurz darauf blickte sie in ein ausdrucksvolles Modelgesicht. Grau-grüne Tigeraugen, wie sie einmal von ihrer Mutter bezeichnet wurden. Ihre Mutter hatte die gleichen Augen, nur gütiger blickend.
    Gerade, schmale Nase, großer Mund. Vor allem die Oberlippe war zu groß. Eine Laune der Natur, die den Verdacht eines operativen Eingriffs aufkommen ließ.
    Zu Unrecht. Mit vierzehn wurde sie ständig ihrer vollen Lippen wegen gehänselt, außerdem war ihr schlaksiger Körperbau der Anlass zu allerlei dummen Bemerkungen. Nur gut, dass sie nicht auch noch blond gewesen war. Dann hätte sie einer Comicfigur geglichen. Andererseits sorgten ihre langen pechschwarzen Haare für ein Aussehen, das dem einer jungen Hexe gleichkam. Die Frage nach dem Besen konnte sie schon damals nicht mehr hören.
    Vielleicht wäre die Variante mit der Comicfigur doch besser gewesen.
    Vergessen. Das war Geschichte. Jetzt war Gegenwart. Und die sah hervorragend aus. Aus dem hässlichen Entlein war ein Schwan geworden, der ganz vorne in der Formation flog und dem es nichts ausmachte, sich aus taktischen Gründen auch mal ans Ende des Schwarms zu setzen.
    Seit einem halben Jahr flog sie jedoch im vorderen Drittel, als rechte Hand des Chefs des Unternehmens, Tendenz nach weiter vorne. Falls das Projekt erfolgreich ausginge, wäre sie anschließend an der Spitze, aber bis dahin war noch ein weiter Weg.
    Sie wandte sich vom Spiegel ab und ging auf das Portal zu, als ein flacher Säuberungsroboter den Gang entlangflitzte, um die Rückstände des Grafits zu entfernen, das ihre Schuhe auf dem gläsernen Boden hinterlassen hatten. Wie jeden Morgen.
    »Na, Larry, heute bist du aber spät dran. Ärgerst dich wieder, weil die Nanos den Dreck nicht wegmachen, nicht wahr?«
    Larry antwortete ihr nicht. Wie jeden
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