Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat
geöffneten Samtbeutel hin.
Fabio bemühte sich immer noch, die Kontrolle über seinen Körper zurückzugewinnen. Lass es sein, Widerstand ist zwecklos, hörte er Nidhoggr in seinem Geist. Doch er gab nicht auf, obwohl ihm dieser Kampf ungeheure Schmerzen bereitete. Innerlich schrie er wie von Sinnen, aus Wut und Verzweiflung. Und tatsächlich gelang es seinem Willen, immer mehr, die Kontrolle des Lindwurms abzuschütteln. Seine Beine verkrampften sich, und er blieb stehen.
»Beweg dich, Knecht!«, befahl ihm Ratatoskr.
Erneut brüllte auch Nidhoggr in seinem Geist, aber Fabio wehrte sich und widerstand. Er widerstand so lange, wie es einem Menschen überhaupt möglich sein konnte, und sogar noch länger, aber schließlich gewann der Lindwurm die Oberhand. Entsetzt bemerkte Fabio, dass sich sein linker Fuß anhob, dann sein rechter … Es war aus, es war tatsächlich alles aus …
In diesem Moment sah er aus dem Augenwinkel, wie sie eintrafen. Die beiden Mädchen, die so waren wie er, kamen hoch oben am Himmel auf sie zugeflogen, eine der beiden mit einer weiteren Person im Arm: der geheimnisvollen alten Frau, der er schon im Amphitheater begegnet war. Er wollte sie warnen, doch er konnte noch nicht einmal den Kopf wenden. Er konnte nichts anderes tun, als weitergehen.
Ratatoskr drehte sich nur kurz um und verzog bei ihrem Anblick verärgert das Gesicht. Dann konzentrierte er sich, und ein Blitz aus schwarzem Licht durchzuckte die Luft.
Als Fabio wieder etwas erkennen konnte, sah er, dass die beiden Mädchen mit der Alten im Arm vom Himmel stürzten. Sie schlugen hektisch mit den Flügeln und konnten so den Fall verlangsamen, trotzdem prallten sie mit einem schmerzhaften Schlag auf den Boden.
Unterdessen war Ratatoskr zu dem Jungen gerannt. »Versager«, zischte er und steckte eilig die Frucht in den Samtbeutel, wobei er sorgfältig darauf achtete, sie nicht zu berühren. »Das war’s«, fügte er mit einem niederträchtigen Lächeln hinzu und erhob sich in die Luft.
Im selben Moment merkte Fabio, dass ihm sein Körper wieder gehorchte. Vielleicht hatte Nidhoggr ihn nur unter Kontrolle, wenn Ratatoskr anwesend war. Schon wollte er die beiden verfolgen, aber die metallenen Auswüchse der Implantate hielten ihn auf. Sie wuchsen, vergrößerten sich und hüllten mehr und mehr seinen ganzen Körper ein. Ein eiserner Fangarm legte sich um seine Kehle. Während er nach Luft rang, hörte er in seinem Geist Nidhoggr lachen. Die Stimme klang schwach und entfernt, so als komme sie von weit her. Hättest du dich deinem Wesen gefügt und wärest mir bedingungslos gefolgt, hätte ich dir dieses Ende erspart. Doch du hast dich ein weiteres Mal für deine Freunde entschieden: Nun, so wirst du die Gunst genießen, vor ihren Augen sterben zu dürfen. Das ist dein Ende.
In der Zwischenzeit erholten sich Lidja und Sofia von ihrem Sturz und beobachteten, wie sich Ratatoskr in die Luft erhob. Sie sprangen auf und richteten ihre Flügel, während die alte Frau schon aufgestanden und auf den Nussbaum zugetreten war. Sie schien wieder sehr verwirrt.
Gerade als Sofia wieder auffliegen wollte, erkannte sie, dass Fabio mit einem unentwirrbaren Knäuel metallener Bänder kämpfte, die seinen Körper umgaben und ihn würgten. Sein Gesicht war tiefrot angelaufen, sein Mund weit aufgerissen. Sie stürzte zu ihm.
»Sof! Was zum Teufel tust du da?«, schrie Lidja, die bereits einen Meter über dem Erdboden schwebte. »Der haut mit der Frucht ab!«
»Aber Fabio ist einer von uns«, erwiderte Sofia.
»Er hat uns verraten. Und wir haben keine Zeit, uns um einen Verräter zu kümmern!«
Vielleicht hatte Lidja recht. Vielleicht mussten sie als Drakonianerinnen einfach nur die Frucht erobern. Und nichts anderes. Aber das schaffte Sofia nicht.
»Ich kann ihn nicht sterben lassen«, rief sie, während sie mit den Händen die Tentakel packte, die Fabio die Luft abschnürten.
»Verdammt noch mal, Sof!«, rief Lidja ein letztes Mal über die Schulter zurück, während sie bereits hinter Ratatoskr herjagte.
Doch Sofia hörte sie schon nicht mehr, denn sie hatte nur noch Augen für Fabio, der sich nicht mehr bewegte und wahrscheinlich schon das Bewusstsein verloren hatte. Sie riss und zerrte an den Fangarmen, vergeblich, sie ließen sich nicht lockern. Sie musste es anders versuchen. Während die Drachenschwester eine Ranke hervorsprießen ließ, tastete sie mit der anderen Hand in Fabios Nacken nach dem Ursprung des Spiralenknäuels. Dann
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