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Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat

Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat

Titel: Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat
Autoren: Licia Troisi
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Beklemmung. Ihr war, als sei kein Augenblick vergangen, seit sie ihre Tochter verloren hatte. Das eine Jahr, das sie ohne Matilde noch gelebt hatte, sowie all die Jahrhunderte, die sie durch die Stadt gegeistert war und in denen sie sich nur an das Versprechen der Tochter erinnert hatte, schien es nie gegeben zu haben. Jetzt sah sie die Tochter vor sich, leibhaftig und nicht nur im Geist. Sie sah noch genauso aus, wie die Alte sie im Gedächtnis hatte, mit den Grübchen an den Mundwinkeln, ihrem runden fast noch kindlichen Gesicht, den glatten kastanienbraunen Haaren. Eingerahmt von dem Nussbaum, in dessen Hohlraum sie festsaß, wirkte sie wie die schmerzensreiche Jungfrau eines antiken Gemäldes, die sie früher einmal in den Kirchen gesehen hatte.
    Sie streckte die Hände zu Idhunns Kerker aus, und obwohl sie gerade noch die schwarzen Blitze unbeschadet überstanden hatte, durchfuhr jetzt ein entsetzlicher Schmerz ihren aus Schatten und Zauber bestehenden Körper. Doch dieser Schmerz war nicht stark genug, um sie aufzuhalten. Noch tiefer steckte sie die Hände in den Käfig hinein und berührte das tränenüberströmte Gesicht ihrer Tochter. Sie streichelte es.
    »Ich bin bei dir«, sagte sie. »Ich werde bis zum Ende bei dir sein.«

    Ratatoskr flog schnell dahin. Er hatte gesiegt! Die Frucht war in seinen Händen, durch den Samtstoff des Beutels konnte er ihre Energie spüren. Er lachte und genoss schon im Voraus den Moment, wenn er sie Nidhoggr überreichen würde. Endlich würde er dessen volle Anerkennung bekommen. Zudem war der Drakonianer, der Verräter, wahrscheinlich bereits tot, zermalmt von genau der Macht, der er unvernünftigerweise vertraut hatte. Es war ein Sieg auf ganzer Linie. Kurz sah er sich um, ob ihm die Mädchen, die die Drachen in sich trugen, auf den Fersen waren, doch es schien ihm niemand gefolgt zu sein. Diese ekelerregenden Drachenfreunde hatten wohl zu große Angst vor ihm.
    Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da traf ihn ein entwurzelter Baum mit der Wucht eines Geschosses. Ratatoskr schrie und stürzte wie ein abgeschossener Vogel zur Erde, ohne jedoch den Beutel loszulassen. Er konnte den Sturz noch abbremsen, und bevor er aufschlug, schleuderte er einen schwarzen Blitz, der den nächsten Baum, der auf seinen Kopf zugerast kam, zersplittern ließ.
    Umgeben von herumwirbelnden Holzteilen tauchte Lidja vor ihm auf. Ihre Augen funkelten wütend und offenbarten eine unbändige Lust zu kämpfen.
    Ratatoskr kicherte. »Glaubst du wirklich, du kannst mich besiegen?«
    Sie antwortete nicht, sondern hob stattdessen mit ihren Drachenkräften zwei riesige Erdschollen aus und schleuderte sie auf ihn.
    Ratatoskr ließ seine Blitze zucken, die die Erdmassen sprengten, doch als die zerbröselte Erde auf ihn niederprasselte, nutzte Lidja seine Verwirrung, um sich auf ihn zu stürzen. Ihre rechte Hand war zu einer krallenbewehrten Klaue geworden, und damit versetzte sie ihm einen mächtigen Hieb ins Gesicht, sodass schwarzes Blut hervorschoss.
    Mit einer Hand wischte Ratatoskr es fort. Seine gelben Augen mit den senkrechten Pupillen eines Reptils blitzten vor Zorn.
    »Wohl wahr, Mädchen, du bist stärker geworden«, knurrte er. »Doch du vergisst: Das hier ist mein Terrain.«
    Unversehens zerbarst hinter Lidja mit einem dumpfen Knall ein Baum, aus dem nun ein zähflüssiges, gelbliches Harz hervorquoll und sich so auf Lidja zu bewegte, als hätte es einen eigenen Willen. Schon umschloss es ihre Knöchel und fesselte sie an den Erdboden. Verzweifelt wand die Drachenschwester sich und versuchte sich zu befreien, aber das Zeug klebte besser als Leim.
    Ratatoskr deutete eine Verneigung an.
    »Leb wohl, Kleine.«
    Langsam stieg das Harz immer höher und packte nicht nur ihre Beine, sondern auch ihre Taille und Schultern.

    Sofia sah Fabio vor sich. Angetrieben von einem blinden, unaufhaltsamen Zorn, die Flügel von purpurfarbenen Flammen umzüngelt, flog er seinem Ziel entgegen.
    »Warte auf mich!«, rief sie ihm hinterher, doch er reagierte nicht.
    Er flog scheinbar noch schneller, so als habe er das Mädchen völlig vergessen. Sofia schlug heftiger mit den Flügeln, um ihn einzuholen, als sich plötzlich zwischen den Bäumen unter ihnen irgendetwas bewegte.
    Auch Fabio hatte es bemerkt, denn mit einem Überschlag, den Sofia, da war sie sich sicher, nicht würde nachmachen können, stürzte er wie ein Falke zur Erde. Sie schloss einfach die Flügel, ließ sich wie ein Stein senkrecht
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