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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat
Autoren: Ake Edwardson
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mal gehört«, sagte ich.
    »Aber bestimmt noch nicht oft«, sagte Lennart. »Die ist noch ziemlich neu.«
    »Wie ein rollender Stein«, sagte Kerstin.
    »Genau«, sagte Lennart.
    Wir hörten den Song zu Ende an. Er war genauso gut wie beim letzten Mal.
    »Wir lassen ihn noch mal laufen«, sagte Lennart. »Ich hab die Gratis-Taste.«
    Wieder lauschten wir.
    »Wie es sich anfühlt, kein Zuhause zu haben«, sagte Kerstin. »Das singt er doch?-«
    »Du kannst aber gut Englisch«, sagte Lennarts Mutter. »Das war ja auch nicht schwer«, sagte Kerstin.
    Der Zug fuhr an und puffte los, als ob er den Bahnhof eigentlich nicht verlassen wollte.
    Lennart und seine Mutter hatten das Cafe, eine Weile nachdem wir uns unterhalten hatten, verlassen. An diesem Tag mussten sie noch zehn Jukeboxen neu bestücken.
    Lennarts Mutter hatte uns gefragt, wohin wir unterwegs waren.
    Kerstin hatte es ihr erzählt und ihr unsere Fahrkarten gezeigt und behauptet, wir hätten Herbstferien. Lennart hatte heute auch frei.
    Seine Mutter hatte nicht gefragt, woher wir kamen.
    »Die waren nett«, sagte Kerstin, als wir im Abteil saßen. Wir waren allein. Der Zug schien leer zu sein, genau wie der Bahnhof eben. Vielleicht waren wir in einen abgeschiedenen Teil der Provinz geraten. Als wir die Stadt hinter uns gelassen hatten, sahen wir nicht mehr viele Häuser, fast nur Wald.
    »Wir haben vergessen zu fragen, wie dieser Sänger heißt«, sagte ich.
    »Den hören wir bestimmt mal wieder«, sagte Kerstin. »Glaubst du?«
    »Vielleicht wird er genauso berühmt wie Elvis«, sagte Kerstin. »Vielleicht.«
    »Wenn du erwachsen bist, spielst du ihn deinen Kindern vor«, sagte Kerstin. »Was?«
    »Ich wollte nur einen Witz machen.« Aber das stimmte nicht. Ich weiß nicht, warum sie das gesagt hatte. Es war ein merkwürdiges Gefühl, das mich irgendwie beunruhigte. Als hätte Kerstin etwas über die Zukunft gesagt, in der es sie nicht mehr geben würde. Ich wollte noch nicht so sehr an die Zukunft denken. Ich wollte, dass sie ein Geheimnis blieb, von dem noch niemand etwas wusste.
    Der Schaffner öffnete die Abteiltür. »Neu Hinzugestiegene«, sagte er.
     
    Kerstins Großmutter fiel fast in Ohnmacht, als sie die Tür öffnete. »Kerstin!«
    »Hallo, Großmutter.«
    »Kerstin!«, wiederholte die Großmutter. »Das ist Kenny«, sagte Kerstin. »Kenny … hm … genau.«
    Kannte sie meinen Namen? - Hatte Kerstin ihr etwa von mir erzählt?
    »Ich habe mir solche Sorgen gemacht«, sagte sie. »Gott sei Dank, dass ihr wohlbehalten seid.«
    »Ist Kjell da?-«, fragte Kerstin.
    »Kommt erst einmal herein«, sagte die Großmutter. Ich nannte sie jetzt auch Großmutter. Wir waren so lange hierher unterwegs gewesen, dass ich das Gefühl hatte, sie wäre auch meine Großmutter, so wie Kerstin sicher auch das Gefühl hatte, meine Großmutter wäre ihre.
    »Wo ist Kjell«, fragte Kerstin wieder.
    »Er ist nicht hier«, sagte Großmutter. »Er ist wieder zu Hause.«
    »Zu Hauset Bei Mama?«
    »Ja.«
    »Aber …« Mehr brachte Kerstin nicht heraus. »Er darf bei ihr wohnen«, sagte Großmutter. »Eure Mutter hat… sie darf sich um ihn kümmern.«
    »Hast du mit ihr gesprochen?«
    »Nur Kjell. Er hat vom Telegrafenamt angerufen.«
    »Hat Mama gesagt, dass er nach Hause kommen darf?«
    »Ja.«
    »Ist das wahr«
    »Warum sollte es nicht wahr sein, Kerstin?«
    »Ist Mama … wieder in Ordnung?«
    »Ich glaube schon. Das muss doch so sein.«
    »Wann ist Kjell gefahrend«
    »Vorgestern«, sagte Großmutter.
    »Wir müssen deine Mutter anrufen«, sagte ich.
    Kerstin nickte.
    »Sie … ihr … habt im Augenblick leider kein Telefon«, sagte Großmutter. »Warum nicht?«, fragte Kerstin.
    »Da ist irgendwas mit der Rechnung… Kjell hat so was gesagt. Er hat mit deiner Mutter telefoniert, als sie irgendwo anders war. Es dauert sicher eine Weile, ehe das Telefon wieder funktioniert.«
    »Das ist ja verrückt«, sagte Kerstin.
    »Wir können hier nicht länger herumstehen«, sagte Großmutter. »Kommt rein, Kinder. Ihr müsst ja vollkommen ausgehungert sein.«
     
    Großmutter hatte alle Zutaten für Speckpfannkuchen im Haus, nur keinen Speck. »Das macht nichts«, sagte ich.
    Kerstin blieb stumm. All die Neuigkeiten hatten sie schockiert. Sie war ausgehungert, aber sie dachte nicht an Essen. Sie dachte an ihre Mama, an Kjell. Sie wollte sofort nach Hause. Aber an diesem Nachmittag fuhren keine Busse mehr in die Richtung, und zu unserer Stadt führte keine Bahnlinie. Außerdem war
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