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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat
Autoren: Ake Edwardson
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abgeriegelt, als wir kamen. Björn und Sten hatten Alarm geschlagen. Die Leute, die auf dem Bahnhof beschäftigt waren, wahrten das Gesicht. Bald würde die Polizei hereinstürmen.
    Aber es kam niemand hereingestürmt. Wir setzten uns an einen Tisch in der hintersten Ecke und teilten die Butterbrote in vier Teile. An der Wand gegenüber stand eine Jukebox. Sie war hübsch, die Neonröhren waren alle unterschiedlich gefärbt, und sie hatte Flossen wie ein Amischlitten. Einmal vor langer Zeit war ich mit Mutter in einem Cafe in unserer Stadt gewesen, plötzlich war sie aufgestanden und zu der Jukebox gegangen, die dort stand, hatte eine Krone hineingesteckt und auf die Tasten mit Buchstaben und Ziffern gedrückt. Die Platten in der Jukebox hatten begonnen, sich wie in einem Karussell zu drehen, und dann hatte Elvis gesungen. »Gibt’s da bloß Elvis?«, hatte ich gefragt. »Nein, sie haben auch was anderes«, hatte sie geantwortet, aber sie wollte nur Elvis hören.
    »Ich hab das Gefühl, als würde ich zum ersten Mal in meinem Leben essen«, sagte Kerstin, nachdem sie die halbe Scheibe mit Fleischbällchen und Rote-Bete-Salat aufgegessen hatte.
    »Das passiert nicht zum ersten Mal auf dieser Reise.«
    »Nein«, sagte sie, »in der Beziehung hatte diese Reise auch einen Sinn.«
    »Ja. Zu Hause vergisst man, wie Essen schmeckt.«
    »Das werde ich nie mehr vergessen«, sagte Kerstin.
    »Weihnachten übernehme ich das Kochen und überbacke einen Schinken«, sagte ich.
    Kerstin antwortete nicht. Sie schaute auf etwas hinter mir. Ich saß mit dem Rücken zum Eingang des Cafés und drehte mich um. Ein Junge in unserem Alter kam zusammen mit einer Frau, die vielleicht so alt wie Mutter war, herein. Die Frau trug einen großen Lederkoffer und der Junge eine komische Tasche mit vielen Fächern.
    Sie gingen zur Jukebox, die Frau drückte auf eine Taste, und die Jukebox rollte von der Wand weg. Dann zog die Frau den Stecker heraus, dessen Kabel zur Jukebox führte.
    »Was machen die da?«, sagte Kerstin.
    »Ich weiß es nicht.«
    Die Frau öffnete die Haube der Jukebox, die wie eine Motorhaube aussah.
    Der Junge hatte angefangen, Hatten aus den Fächern seiner komischen Tasche zu nehmen.
    Die Frau legte ein Blatt Papier auf die Jukebox und begann, Platten aus dem Karussell zu entfernen, während sie etwas von dem Papier ablas.
    »Sie tauschen die Platten aus«, sagte ich.
    Der Junge hatte mehrere Platten hervorgeholt, die die Frau in das Karussell setzte, während der Junge die alten Platten in die Taschenfächer steckte.
    Ich erhob mich.
    »Das muss ich mir aus der Nähe ansehen«, sagte ich. »Ich auch«, sagte Kerstin. »Ich will nur noch mein Brot aufessen.«
    Ich war schon fertig und ging zu der Jukebox. Der Junge schaute auf. »Hallo«, sagte er freundlich. »Hallo. Das sieht ja interessant aus.« Die Frau sah auch auf. »Es ist interessant!«, sagte sie. »Ist das Ihr Beruf«
    »Eigentlich nicht«, antwortete sie und klappte die Haube wieder herunter. »Es ist der Beruf meines Mannes, aber der liegt mit Grippe im Bett, deswegen mussten wir einspringen.«
    Der Junge nickte.
    »Lennart kann das hier besser als ich«, sagte die Frau und lächelte den Jungen an. »Aber Johnny kann es am besten«, sagte Lennart. »Wer ist Johnny?-«, fragte ich.
    »Mein Stiefvater. Er hat viele Jukeboxen, die er an Cafebesitzer und solche Leute vermietet, und dann fährt er rum und repariert die Jukeboxen und tauscht die Platten aus.«
    »Und manchmal müssen wir einspringen«, sagte die Frau.
    »Das ist Elisabeth«, sagte Lennart, »meine Mutter.«
    »Du darfst mich gern Mama nennen, Lennart«, sagte die Frau.
    »Ich heiße Kenny.«
    Kerstin war herangekommen und stellte sich auch vor. »Bringen Sie neue Platten mit’?-«
    »Ja«, antwortete Lennart. »Die allerneuesten.« Er sah seine Mutter an. »Wollen wir sie mal testend«
    Sie nickte, schob die Jukebox wieder an die Wand und steckte den Stecker in die Dose.
    »Wir müssen auch noch die Münzen herausnehmen«, sagte Lennart. »Aber das ist meistens nicht viel.«
    »Nein, hier gibt es wenig Kunden«, sagte ich.
    Lennart drückte auf die Tasten. Das Karussell begann sich zu drehen. Eine Platte wurde auf den Teller gelegt, und die Nadel senkte sich.
    Die Trommel erkannte ich sofort, die Orgel, die Gitarren und den Sänger, der durch die Nase zu singen schien:
    »How does it feel?
    How does it feel?
    To be without a home,
    like a complete unknown,
    like a rolling stone?
    »Das hab ich schon
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