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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat
Autoren: Ake Edwardson
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Butter und einen Krug mit Milch auf den Tisch gestellt.
    »Bitte sehr.« Sie wies mit dem Kopf auf die Krater des Planeten. »Bedien dich, Kerstin.«
    Kerstin legte sich aus der Pfanne auf, schnitt ein Stück von dem Omelett ab und steckte es in den Mund. Mutter beobachtete sie erwartungsvoll, und ich genauso. Würde Kerstin überleben?
    Sie kaute. »Lecker«, sagte sie.
    Sie wirkte noch ganz gesund. Ich hatte befürchtet, ihr Gesicht könnte die gleiche Farbe annehmen wie der Mars. Ich atmete auf. Nicht dass ich mit gutem Appetit essen würde, aber ich würde den Tisch lebendig verlassen und mein Schwert in jede Richtung schwenken, die ich wollte.
    »Wie alt bist du, Kerstin?-«, fragte Mutter.
    »Zwölf.«
    »Wie Tommy.«
    »Kenny«, sagte ich.
    »Ja, ja, ich kann mich einfach nicht dran gewöhnen.«
    »Nein«, sagte ich.
    »Geht ihr in dieselbe Klasse?« Mutter guckte Kerstin an. Das war eine gute Frage. Sie wusste es nicht. Sie hatte noch nie an einem Elternabend teilgenommen, und einen Blick auf die Klassenliste geworfen hatte sie auch noch nicht. Mir war das nur recht. Was hatte sie dort zu suchen?- Vielleicht würde sie beim Kaffee einschlafen oder während all die redseligen und neugierigen Eltern Fragen an die Lehrerin stellten, wie es in der Klasse und der Schule war. Ich wurde selbst schläfrig von all den Fragen. Ich glaube, die fragten bloß, um sich vor den anderen Eltern aufzuspielen, nicht, weil sie wirklich interessiert waren. Es gab viele solcher Eltern, die viele Meinungen und Fragen hatten. Es war besser, sich zurückzuhalten wie Mutter. Sie wäre sich nur noch mehr fehl am Platz vorgekommen.
    »Kerstin wohnt auf der anderen Seite des Flusses«, sagte ich.
    »Aha.«
    »Wir gehen nicht in dieselbe Klasse«, sagte Kerstin. »Aber du gehst auch in die Sechste?-«, fragte Mutter. »Ja.«
    Also wusste Mutter immerhin, in welche Klasse ich ging. Ich hatte es ihr wohl gesagt, als die Schule nach dem Herbst wieder angefangen hatte.
    »Habt ihr viele Hausaufgaben?-«, fragte Mutter.
    »Geht so«, antwortete Kerstin.
    »Du hast dich noch nicht über zu viele Hausaufgaben beklagt, Kenny.« Mutter sah mich fast vorwurfsvoll an. »Hat sich denn jemand anders beklagt?«, sagte ich. »In der Sechsten wird es schwerer«, sagte Mutter. »Gar nicht zu reden von der Siebten«, sagte ich. »Aber du gehst doch auf die Realschule, Tom… Kenny?« Ich antwortete nicht. »Das hast du gesagt, Kenny«
    »Ich hab gar nichts gesagt.«
    Vielleicht hatte ich es doch getan, vor langer Zeit, damit sie aufhörte zu lamentieren, wie wichtig die Schule sei. Das war komisch, denn sie hatte ja keine Ahnung, worin der Unterschied bestand, ob man weiter in die Siebte oder auf die Realschule ging, die eine Stufe höher war und die man wiederholen musste, wenn man das Abitur machen wollte. Mutter wollte, dass ich studierte. In unserer Familie war überhaupt niemand auf die Realschule gegangen, und deswegen war sie so hinter mir her. Sie wollte, dass ich wurde, was sie nicht geworden war.
    »Möchtest du auf die Realschule, Kerstin?-«
    »Ich weiß es nicht.«
    Mutter würde es nie begreifen. Es war keine Frage, was man wollte oder nicht. Es ging um Geld und so viel anderes, dass ich keine Kraft hatte, es ihr zu erklären.
    »Was machen deine Eltern, Kerstin?«
    »Danke fürs Essen«, sagte ich und stand auf.
     
    3
     
    Die Ehre eines Samurai ist sein Leben. Wenn jemand einen Samurai kränkt, dann kränkt er gleichzeitig sein Leben, und das kann er nicht akzeptieren.
    Manchmal dachte ich über das Leben nach. Warum gab es mich auf der Erde? Hatte es einen Sinn, dass es mich gab? Was war überhaupt der Sinn meines Lebens? Ich war nicht der Erste, der darüber nachdachte, und vermutlich auch nicht der Letzte. Aber seinen Gedanken konnte man nicht ausweichen. Das wäre gleichsam so, als würde man seinem Leben ausweichen. Oder niemals mehr sein Gesicht im Spiegel betrachten. Ich war nicht bereit, dem Leben auszuweichen, jedenfalls noch nicht. Es war wichtig, über das Leben nachzudenken. Im Leben ging es auch um andere Menschen außer einem selbst, wie man mit ihnen klarkam. Das Leben drehte sich nicht um das eigene Leben. Wenn man sich nur an sich selbst klammerte, verlor man seinen Stolz und seine Ehre.
    Ein Samurai musste immer daran denken, wie er mit anderen Menschen lebte, wie er sich gegen sie verhielt. Das nennt man Bushido, und das ist das Gegenteil von dem, wenn man nur an sich selbst denkt. Man kann sagen, auf der Welt gibt es
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