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Drachenkampf

Drachenkampf

Titel: Drachenkampf
Autoren: Pierre Pevel
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angehoben hatten, krachten mit einem heftigen Stoß, der weder die Achsen noch Saint-Lucq schonte, zurück auf den Boden. Das Mischblut wurde vom Dach geschleudert, konnte sich jedoch im letzten Moment festhalten und hing nun wieder hinten an der rasenden Kutsche.
    Da wurden dumpfe Schläge in der Kabine laut, bis schließlich eine schuppige Faust das Dach durchbrach, sodass das Holz nur so splitterte. Dann zwängte sich ein Wesen, halb Mensch, halb Drache, heraus, indem er sich mit der Kraft seiner muskulösen Schultern einen Weg bahnte. Größer als ein Klafter richtete es sich auf und stieß einen Schrei zum Himmel aus, während es die membranartigen Flügel ausbreitete. Von Panik erfasst, sprang der Kutscher von seinem Bock. Doch Saint-Lucq bewahrte Ruhe. Er hatte sofort begriffen, dass er es mit dem Ergebnis einer Übergangsverwandlung zu tun hatte. Der Alchemist der Schatten war also ein Drache. Stellte sich bloß die Frage, ob er in der Lage war, seine Ursprungsform anzunehmen. Besser wäre in jedem Fall, wenn es ihm nicht gelingen würde.
    Die Kreatur senkte den Blick auf das Mischblut. Auch wenn seine Züge noch an den Alchemisten erinnerten, loderte in seinen Reptilienaugen ein bestialisches, primitives Feuer.
    Es stieß ein Brüllen aus und schwang sich unversehens in die Lüfte.
    Ein reiterloses Pferd galoppierte neben der Kutsche her. Saint-Lucq warf sich hinüber, hielt sich mit beiden Händen am Sattelknauf fest, federte mit geschlossenen Beinen einmal am Boden ab und schwang sich geschmeidig auf den Rücken des Tiers, das er sofort von der Straße lenkte, um die Verfolgung der draconischen Kreatur aufzunehmen. Ein Stückchen weiter kippte die Kutsche in einer Kurve um, löste sich mit Getöse vom Geschirr, und die Pferde stürmten wiehernd davon.
    Saint-Lucq setzte erst über einen Graben, dann über ein Gatter und galoppierte querfeldein. Dabei ließ er die Kreatur, deren Schuppen im Mondlicht schimmerten, keine Sekunde aus den Augen. Er fürchtete sehr, dass sie ihn abhängen könnte. Sein Pferd war bereits erschöpft, ganz zu schweigen von den Hindernissen, die am Boden auf ihn warteten. Aber er hatte ja noch die Pistole, die er aus der Satteltasche eines der Söldner gezogen und in seinen Gürtel gesteckt hatte.
    Also blieb ihm noch eine Kugel.
    Eine Hoffnung.
    Als die Kreatur bemerkte, dass sie verfolgt wurde, wandte sie den Kopf, verharrte einen Moment flügelschlagend in der Luft und betrachtete den erbärmlichen Sterblichen, der sich abmühte, ihr zu folgen. Sie zögerte, doch ihr grimmiger, hochmütiger Instinkt hatte ihre Intelligenz bereits besiegt. Sie stieß einen kampflustigen Schrei aus und stieß auf den Reiter herab.
    Die Kreatur und Saint-Lucq stürmten aufeinander zu. Sie kam mit großen Flügelschlägen, triefenden Lefzen und ausgefahrenen Krallen aus der Luft. Er galoppierte mit vollem Karacho dahin, lenkte sein Pferd nur mehr mit den Knien und richtete die Waffe mit beiden Händen gen Himmel. Keiner von beiden würde einlenken. Das Hybridwesen stieß einen weiteren bedrohlichen Schrei aus, und das Mischblut zielte konzentriert. Er musste den letzten Moment abwarten, bevor er abdrückte.
    Abwarten und hoffen, dass das Pferd nicht plötzlich zur Seite ausbrach …
    Noch etwas länger abwarten …
    Eine Kugel. Eine Hoffnung.
    Jetzt!
    Saint-Lucq drückte den Abzug. Für einen kurzen Moment versetzte ihn die Vorstellung, die Waffe könnte versagen, in Angst und Schrecken, doch der Schuss löste sich, kurz bevor die Kreatur ihn erreicht hatte.
    Der Rückstoß war so heftig, dass das Mischblut aus dem Sattel gerissen wurde und ins Gras purzelte, während die Kreatur in einiger Entfernung aufschlug und das Pferd in wildem Galopp davonstürmte.
    Schließlich rührte sich nichts mehr, und die nächtliche Ruhe kehrte zurück, nur noch gestört durch das sich weiter und weiter entfernende Hufgetrappel des flüchtenden Pferds.
    Saint-Lucq schlug die Augen auf, spuckte Erde und Blut und rappelte sich schmerzvoll und mit wackeligen Beinen hoch. Reflexhaft zog er seinen Degen, drehte sich um sich selbst, um nach möglichen Bedrohungen Ausschau zu halten, und wäre dabei beinahe über die eigenen Füße gestolpert.
    Dann erblickte er die daliegende Gestalt.
    Humpelnd näherte er sich ihr.
    Es war die Kreatur, die bewusstlos und mit einer Kugel in der Schulter langsam wieder menschliche Form annahm. Sie schrumpfte, ihre Flügel bildeten sich zurück, ihre Schuppen verschwanden und hinterließen
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