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DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz
Autoren: Ute Haese
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isst Chips, hockt vor dem Fernseher und hat sonst keine Interessen. Ich weiß doch, wie die Leute reden, wie Greta über mich redet. Schließlich hat sie mich damals auch deshalb mit dem Jungen verlassen. Dabei habe ich im Leben einfach nie Glück gehabt. Nie! Alles ging schief. Es war immer wie verhext.« Er sprach jetzt mehr und mehr zu sich selbst. »Erst die Scheidung, dann im selben Jahr die Kündigung und weit und breit kein neuer Job in Sicht. Wissen Sie, wie man sich da fühlt!?«
    Ich schwieg.
    »Nein«, gab er sich selbst die Antwort, »das wissen Sie nicht. Aber ich sag’s Ihnen! Wie ein Stück Dreck fühlt man sich. Wertlos. Unbrauchbar. Nur noch gut für die Müllkippe. Und Almuth hatte mir doch schon damals immer erzählt, dass diese verdammte Perle gut und gern mehrere Monatsgehälter Wert sei. Mindestens. Gelacht hat sie, wenn sie mir wieder und wieder den Mund wässrig gemacht hat, und sich jedes Mal regelrecht daran geweidet, wenn ich sie drängte, mir die Perle zu geben. Dafür habe ich sie gehasst.«
    Das hatte sie bestimmt nicht gewollt, so wie ich die alte Almuth kennengelernt hatte, ein solches Verhalten war zweifellos gedankenlos von ihr gewesen. Man hielt niemandem ein dickes Geldbündel beziehungsweise eine Perle vor die Nase wie einem Hund eine Leberwurst. »Woher hatte sie die eigentlich?«, versuchte ich Arthur jedenfalls ein bisschen wieder herunterzuregeln, denn seine Gesichtsfarbe hatte sich vor lauter Empörung mittlerweile wirklich ungesund gerötet. Und es gelang.
    »Aus Elbing«, gab er in ruhigerem Tonfall Auskunft. »Mitgebracht damals auf der Flucht. Es war das Einzige, was sie hinüberretten konnte. Ihre Eltern hatten sie ihr mitgegeben und sie beschworen, sie nicht aus den Augen zu lassen. Sie galt als eine Art Familienversicherung in der neuen Heimat nach all dem Schlamassel.« Er schwieg einen winzigen Moment, bevor er erbittert hervorstieß: »Aber sie brauchte sie doch nachher gar nicht mehr. Alle waren tot, und Almuth lebte hübsch und sicher bis zu ihrem Ende im Heim, und Greta war sowieso nie fürs Geldausgeben. Aber ich, ich hätte sie wirklich nötig gehabt.«
    »Und wofür?«, konnte ich mich nicht enthalten zu fragen, ebenfalls unfähig, mir den Mann vor mir irgendwo anders als Chips vernichtend und fernsehend auf seiner Couch vorzustellen. Oder vielleicht noch bastelnd in seinem Hobbykeller. Aber das war auch schon das Äußerste, was meine Fantasie hergab.
    Ein abfälliges Brummen war die Antwort. Er hatte mich durchschaut. »Sie glauben mir ja doch nicht.«
    »Versuchen Sie es«, ermunterte ich ihn in einem fast freundschaftlichen Tonfall.
    Er zögerte, gab sich dann jedoch einen Ruck. »Ich hätte so gern einmal eine Rundreise durch Asien gemacht, die Pagoden und Tempel besucht. Angkor Wat. Davon habe ich Bilder gesehen. Es ist traumhaft schön dort. Ich mag keine Strände und so, wissen Sie, aber Tempel und Kultur und so schon. Oder auch die Pyramiden in Ägypten, die Bauten der Mayas … Oh ja, ich habe gewusst, was ich mit dem verdammten Geld anfangen wollte. Ich schon, und die nicht. Deshalb ist das so ungerecht. Ich hätte ihnen doch nichts weggenommen. Sie brauchten die Perle doch nicht. Greta und Almuth mochten nicht gern verreisen. Die blieben lieber zu Haus, während ich …« Seine Worte verloren sich, und ich rief mir in Erinnerung, dass dieser Mann nicht nur ein verhinderter Weltenbummler war, sondern ein Mörder, der momentan ein Bad in Selbstmitleid nahm. Aber nicht mit mir. Sollte er baden gehen, wenn er in der Zelle saß.
    »Und deshalb brachten Sie Almuth um«, stellte ich sachlich fest.
    »Es war ein Unfall!«, protestierte er aufgebracht, als hätte ich ihm einen unschicklichen Antrag gemacht. »Ich wollte das doch gar nicht!«
    »Vorher verprügelten Sie mich«, fuhr ich erbarmungslos fort, »weil ich Ihnen zu viel herumschnüffelte, versetzten Greta immer wieder in Todesangst und machten sich gleichzeitig mit Essenseinladungen und lockeren Besichtigungstouren an sie heran, damit sie Ihnen, dem guten alten Ex-Ehemann, in ihrer Furcht an die breite Brust sank und dabei so ganz nebenbei das Versteck der Perle verriet, wenn Sie sie – ganz arglos – in diese Richtung lenkten. Aber sie tat es nicht.«
    »Nein.«
    »Weil sie nicht einmal den Hauch einer Ahnung hatte, was der ominöse Anrufer von ihr wollte. Seine verschwiemelte Forderung blieb ihr ein Rätsel. Und Ihr freundschaftlich-besorgtes Getue fand sie lediglich nett. Vielleicht
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