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Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Titel: Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt
Autoren: André Ziegenmeyer
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der überraschten Gesichter entlang. Das Spektrum reichte von einfachem Staunen über mildes Entsetzen bis zu seliger Entrückung. Als er weitersprach, lag ihm jede Silbe wie eine dicke Kröte auf der Zunge.
    „Dieser Legat, ein gewisser Kardinal de Vendetta, wird uns heute zur Mittagszeit erreichen. Schon jetzt hat er allerdings darum gebeten, dass ich euch zum Beginn dieses historischen Unternehmens seine ganz besonderen Glückwünsche ausspreche.“
    Für einen kurzen Augenblick erfüllte die Urmutter
andächtiger Stille den Raum, dann wurde Bischof Korkenbaum von frenetischem Applaus umspült – und hatte alle Mühe, nicht schwer seufzend auf seinen Stuhl zu plumpsen.

Das Dorf hielt sich in einer der zahllosen Senken verborgen. Schüchtern und schläfrig schmiegte es sich an die Seite des Berges. Der kleine Bach, der daran vorbeiströmte, musste sich bereits vor Ewigkeiten darangemacht haben, ein Stück aus dem riesigen Fels auszuwaschen. Irgendwann waren an seinem Ufer die ersten Häuser aufgeschossen. Aus seiner Perspektive geschah es binnen eines Wimpernschlages. Schnell wie der Tanz eines Wasserläufers.
    Auguste konnte sich an eine Schmiede erinnern, die hier einmal gestanden hatte. Der Schmied selbst, Thaddäus Ungemach, war ein wunderlicher Kauz. Ein kräftiger Kerl, dachte die Hexe, während sie sich ihren Weg durch hüfthohe Farnbüschel bahnte. Die Frauen aus der Nachbarschaft hatten ihn recht gerngehabt. Was unter anderem daran lag, dass er von seiner Arbeit zwar halb taub, aber immer zu einem Lächeln und Nicken bereit war.
    Seine eigene Leidenschaft indes widmete er den mechanischen Dingen. Thaddäus liebte es, bis tief in die Nacht hinein an den verschiedensten Apparaten zu basteln. Sorgfältig malte er Pläne an die Bretterwand der Schmiede und brütete über deren Umsetzung. Viele Stunden konnte er völlig reglos dasitzen, bis ihm schließlich die zündende Idee kam und er mit lautem Triumphgeheul aufsprang. Meistens kurz vor Morgengrauen.
    So kam es, dass die anderen Bewohner seines Dorfes nicht müde wurden, sein Talent zu preisen. Das ständige Gehämmere allerdings fiel ihnen mit der Zeit auf die Nerven. Eines Morgens stand eine Abordnung von Nachbarn mit geröteten Augen vor seiner Tür. Mit einigen gut gezielten Argumenten machten sie ihn darauf aufmerksam, dass es an der Zeit war, sich hier draußen eine neue Hütte zu bauen.
    Reumütig packte Thaddäus seine Sachen und ging davon. Doch da ihm die anderen beim Bau der neuen Hütte halfen, war der Frieden bald wiederhergestellt. Außerdem sorgten sich ihre Frauen auch weiterhin um sein Wohlergehen.
    Der Schlaf kehrte in den kleinen Ort zurück, und die Bewohner begrüßten diesen Gast überschwänglich. Bald jedoch beschloss der junge Schmied, gesellschaftlicher Bande ledig, ein kleines Experiment zu wagen. Thaddäus befestigte ein Mühlrad an seiner Hütte, das sich in den Bach senkte – und äußerst gegenwärtig erinnerte sich Auguste noch jener gramerfüllten Nächte, als er mithilfe dieses Rades den wirklich großen Hammer in Betrieb nahm.
    Nun standen dort unten mehrere Dutzend Häuser. Breite, befestigte Straßen wanden sich zwischen ihnen hin. Stumm fügte Auguste ihrem großen Vorrat an Stoßseufzern einen weiteren hinzu. Beim Näherkommen verwunderte sie sich bald über eine stattliche Anzahl bunter Wimpel und Schilder. Das Land rings um den Bärenstein war einigermaßen karg. Das bedeutete keineswegs, dass dort nicht gefeiert wurde. Nur verlieh man dieser Festlichkeit eher durch ungepanschten Schnaps Ausdruck als durch bunten Firlefanz. Trotzdem waren Auguste derlei Dekorationen nicht fremd. Seltsam aber war, dass die allermeisten davon so aussahen, als hingen sie seit Jahr und Tag an der frischen Luft.
    Auf den Straßen herrschte reges Treiben, was bei der Hexe zu Unbehagen führte. Auguste Fledermeyer besaß eine natürliche Abneigung gegen offizielle Feierlichkeiten und gesellschaftliche Anlässe. Es fiel eher schwer, ein einsames Leben im Wald zu führen, wenn man sich, metaphorisch gesprochen, ständig nach Cocktailschirmchen sehnte.
    Derzeit schien ihr das Bedürfnis nach Anhaltspunkten jedoch dringlicher, und sie setzte ihren Weg fort. Außerdem kam ihr das Gedränge aus einem anderen Grund keineswegs ungelegen: Schon seit einer Weile hatte die Hexe das Gefühl, jemand würde ihr folgen.
    Sie war sich nicht vollständig sicher. Ein flüchtiges Knacken von Zweigen hier und da, ein aufgeschreckter Vogel – gesehen hatte
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