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Drachenflamme: Roman (German Edition)

Drachenflamme: Roman (German Edition)

Titel: Drachenflamme: Roman (German Edition)
Autoren: Naomi Novik
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Punkt aus sichtbar, wenn man nur seinen Hals genug reckte, sodass Temeraire das Gefühl hatte, er könnte es wagen, aufzubrechen, nur um rasch Laurence zu finden und sicher zurückzubringen. Natürlich war Temeraire überzeugt davon, dass niemand töricht genug sein würde, Laurence in irgendeiner Form respektlos zu behandeln, aber es war nicht zu leugnen, dass Männer dazu neigten, von Zeit zu Zeit unvorhergesehene Dinge zu tun. Forthings Bemerkung nagte noch immer an Temeraire.
    Wenn man die Sache sehr genau nehmen wollte, dann stimmte es, dass Laurence ein verurteilter Strafgefangener war: verurteilt wegen Hochverrats. Seine Strafe war nur auf Drängen von Lord Wellington nach der letzten Schlacht in England in Deportation umgewandelt worden. Und diese Strafe war in Temeraires Augen verbüßt, denn niemand konnte abstreiten, dass Laurence zwangsweise abtransportiert worden war, und diese Erfahrung war mehr als Strafe genug gewesen.
    Die unglückselige Allegiance war bis zu den Bullaugen mit noch unglückseligeren Verurteilten vollgestopft gewesen, die den ganzen Tag an Handgelenken und Fußknöcheln angekettet waren und
entsetzlich stanken, wann immer sie in klirrender Reihe an Deck gebracht worden waren, um Bewegung zu bekommen. Einige von ihnen hingen schlaff in ihren Ketten. Temeraire kam das wie Sklaverei vor, und er konnte nicht verstehen, warum es, wie Laurence steif und fest behauptete, einen solch riesigen Unterschied machen sollte, dass ein Gericht festgestellt zu haben glaubte, diese armen Gefangenen hätten etwas gestohlen. Schließlich konnte sich doch jeder ein Schaf oder eine Kuh holen, wenn sie von ihren Besitzern vernachlässigt oder nicht richtig bewacht wurden.
    Fest stand, dass sich das Schiff nicht von irgendeinem Sklavenschiff unterschied: Der Gestank waberte durch die Deckplanken, und beinahe ständig trug der Wind ihn bis zum Drachendeck. Nicht einmal der Duft von brutzelndem Pökelfleisch aus der unten gelegenen Kombüse konnte die üblen Gerüche vertreiben. Als sie schon beinahe einen Monat lang auf Reisen waren, hatte Temeraire durch Zufall erfahren, dass Laurence unmittelbar neben dem Gefängnis untergebracht worden war, wo die Luft noch viel schlechter sein musste.
    Laurence hatte sich jedoch geweigert, sich in irgendeiner Form darüber zu beschweren. »Mir geht es sehr gut, mein Lieber«, hatte er gesagt. »Es steht mir frei, den ganzen Tag und die milderen Nächte auf dem Drachendeck zu verbringen, was nicht einmal den Schiffsoffizieren möglich ist. Es wäre ausgesprochen unfair, für mich eine bessere Behandlung zu beanspruchen, wo ich doch nicht einmal ihre Arbeit erledige. Jemand anders würde sein Quartier räumen müssen, damit ich es beziehen könnte.«
    So war es eine sehr unangenehme Überfahrt geworden. Und nun waren sie hier, wo es ebenfalls niemandem gefallen konnte. Zusätzlich zu den ständigen Känguru-Mahlzeiten kam die Tatsache, dass es hier sehr wenige Menschen gab und nichts, was einer richtigen Stadt ähnelte. Temeraire war daran gewöhnt, in England schlechte Unterbringungen für Drachen zu sehen, aber hier wohnten die Menschen
nicht viel besser als auf den Lichtungen in jedem beliebigen Stützpunkt Englands. Viele von ihnen waren in Zelten oder behelfsmäßigen, kleinen Gebäuden untergebracht, die nicht einmal stehen blieben, wenn man – gar nicht unbedingt zu niedrig – über sie hinwegflog. Stattdessen brachen sie zusammen und spuckten aufgebrachte Bewohner aus, die einen riesigen Aufstand veranstalteten.
    Und es gab auch keine Gelegenheit für einen Kampf. Während der Überfahrt hatten sie immer wieder Briefe und Zeitungen erreicht, wenn schnellere Fregatten an dem schwerfälligen Rumpf der Allegiance vorbeigeschossen waren. Für Temeraire war es sehr entmutigend zu hören, als Laurence ihm vorlas, dass Napoleon angeblich wieder in Kämpfe verwickelt war, dieses Mal in Spanien, und überall entlang der Küste Städte einnahm. Sicher war Lien bei ihm, während Temeraire und Laurence nutzlos am anderen Ende der Welt festsaßen. Das war alles andere als fair, dachte Temeraire missmutig, dass Lien, die der Überzeugung war, Himmelsdrachen sollten überhaupt nicht kämpfen, den ganzen Krieg für sich allein haben sollte, während er hier hockte und sich um Eier kümmern musste.
    Auf der Überfahrt hatte es nicht einmal eine klitzekleine Schlacht zum Trost gegeben. Einmal hatten sie in der Ferne einen französischen Freibeuter gesehen, aber das kleinere
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