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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot
Autoren: Robert Low
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etwas zu laut, denn nichts wünschte er sich mehr, als wieder zu den Eingeschworenen zu gehören und eine Chance auf seinen Anteil an diesem Silberschatz zu bekommen, den er so leichtfertig hatte sausen lassen.
    »Seit er zurück ist«, sagte Finn, der Strohhalme ins Feuer warf, »scheinen sich alle Männer ein wenig nach links zu neigen.«
    Das verstand ich nicht.
    »Als hätten sie eine Axt oder ein Schwert am Gürtel«, meinte er. Er rückte zur Seite, um einem Hirschhund Platz zu machen, der seinen Kopf auf mein Knie legte und mich seelenvoll ansah.
    »Irgendwann muss ein Mann seine Wahl treffen«, fuhr er fort. »Es sind fast fünf Jahre, seit wir mit Jarl Brand auf den Flüssen der Rus vom Gardarike hierhergesegelt sind, Orm. Fünf Jahre.«
    »Wir haben versprochen, ihm jedes Jahr zu dienen«, erinnerte ich ihn und hatte ein Gefühl – wie immer, wenn dieses Thema zur Sprache kam –, als bewege sich die Erde unter meinen Füßen.
    »Ja, schon«, gab Kvasir zu. »Das erste Jahr und das folgende waren ja auch gut für uns, obwohl das, was wir verdienten, genauso schnell wieder weg war. Aber so ist das
mit uns – wie gewonnen, so zerronnen. Damals dachten wir allerdings, du hättest einen Plan, um uns auszurüsten und wieder ins Grasmeer zu Attilas Schatzkammer zu ziehen. Doch stattdessen bekamen wir Land vom Jarl.«
    »Wir hatten ja auch kein Schiff, bis wir anfingen, eins zu bauen«, protestierte ich und merkte, wie mir bei dieser Lüge die Röte in den Nacken stieg. »Wir brauchen ein …« Das Wort »Heim« drängte sich mir auf, aber das konnte ich diesen Männern nicht sagen, deren Heim das unruhige Meer war.
    »Und überhaupt«, sprach ich trotzig weiter, »solange hier Krieg herrschte, waren wir auf jedem Hof, der hinter Jarl Brand stand, willkommen. Aber wenn der Krieg vorbei ist, fragt keiner mehr nach Leuten wie uns. Ich wette, dass es an der ganzen Küste hier keine zwei Hallen gibt, wo man sich darüber freuen würde, wenn eine Schiffsladung Eingeschworener in ihr friedliches Leben gesegelt käme. Würdet ihr lieber im Schnee schlafen und Schafsköttel fressen?«
    »Das dritte Kriegsjahr war allerdings hart«, gab Kvasir zu, »und da hatten wir großes Glück, unsere eigene Halle zu haben.«
    In diesem dritten Jahr des Krieges gegen Jarl Brands Feinde war viel Blut geflossen, aber ich hatte bisher keine Ahnung von Kvasirs Absichten gehabt. Ich sah ihn scharf an, aber sein Blick war nicht weniger entschlossen, selbst mit nur einem Auge.
    »Letztes Jahr wurde uns klar, dass du Gründe suchtest, um nicht dorthin zu ziehen, wo wir alle hinwollten«, sagte er. »Und während wir Geld ausgaben, hast du gespart, und das fanden wir bei einem so jungen Jarl wie dir allerdings sonderbar.«
    »Ich musste sparen, weil ihr euer Geld ausgegeben habt«,
erklärte ich aufgebracht. »Ein Jarl soll freigebig sein, und Armringe wachsen nicht auf Bäumen.«
    »Ja, natürlich«, erwiderte Kvasir, »und du bist ja auch bekannt für deine Großzügigkeit. Aber dieses Jahr, als Eirik der Rig-Jarl über alle wurde, musste man dich ja fast dazu zwingen, endlich mit dem Bau der Elk anzufangen, denn du hast nur an deine Pferde und den Pferdehandel gedacht.«
    »Ein Schiff wie die Elk ist teuer«, gab ich hitzig zurück. »Es braucht eine gute Mannschaft, die unterhalten und bezahlt werden will – oder wolltest du nur mit denen, die von den Eingeschworenen übrig sind, auf Schatzsuche gehen? Auf der ganzen Welt gibt es kaum noch ein Dutzend, und davon sind die beiden in Hedeby Invaliden, die sich um einander kümmern. Das reicht kaum als Besatzung für eine Knarr, ganz zu schweigen, um damit auf Raubzug zu gehen.«
    Kvasir ließ meinen Unmut über sich ergehen, dann wischte er sich Rotz von der Nase und zuckte die Schultern. Ich hatte den Eindruck, dass er mich etwas traurig ansah, was meine Laune nicht gerade verbesserte.
    »Du willst die, die noch übrig sind, zu Pferdezüchtern und Bauern machen. Sie sollen ihre Felder pflügen, und vor ihrer Tür sollen Hühner scharren«, murrte er.
    »Da sieht man mal, wie gut du Bescheid weißt«, sagte ich spöttisch und streute noch Salz in die Wunde. »Du scheinst nicht einmal zu wissen, dass wir unsere Hühner im Stall halten.«
    Er wischte sich die Hand an der Hose ab.
    »Nein. Will ich eigentlich auch nicht wissen«, erwiderte er nüchtern. »Ich glaube, die anderen verstehen auch nicht viel von Hühnern, auch nicht von Heu oder von Pferden. Aber sie verstehen etwas von
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