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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot
Autoren: Robert Low
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die neun Reiche und darüber hinaus verfluchen, wenn wir diesen Schwur gegeneinander brechen.
    Er band uns in Ketten der Gottesfurcht, trieb uns in Kälte und Sturm, ließ uns Dinge tun, von denen die Skalden später singen würden – und andere, die in der Erinnerung besser unter einem großen Stein begraben blieben, so schändlich waren sie. Und doch, wenn wir mit dem Rücken zueinander standen, vor uns die, die nicht zu uns gehörten, dann wussten wir, dass jede Schulter neben uns einem Mann gehörte, der eher sterben als uns verlassen würde.
    Es hatte mich von einem Jungen, einem Neiding, auf den Thron meiner eigenen Halle gebracht – und doch war selbst dieser Hochsitz nicht mein eigener, er war die Beute aus dem letzten Kampf für Jarl Brand und Eirik, den neuen König. Ich hatte ihn aus der Halle von Ivar Wetterhut mitgenommen, dessen Kopfbedeckung angeblich Stürme
heraufbeschwören konnte. Er hätte damit winken sollen, als wir in seine Bucht gerudert kamen, denn als wir bei schönstem Wetter und ruhiger See wieder abzogen, war sein Hof niedergebrannt und er hatte alles verloren, selbst seinen Thron.
    Nach dem Raubzug waren wir alle hierhergekommen. Wir harten Männer, wir Räuber, hatten uns hier in dieser Halle niedergelassen, die nach nasser Wolle und Hunden roch und wo es schreiende Kinder und schimpfende Frauen gab. Seitdem hatte ich getan, was ich konnte, damit sich meine rauen Kerle hier zu Hause fühlten. Und wie ich glaubte, mit Erfolg, deshalb hatte ich beschlossen, einen Stein für uns aufzustellen, damit wir hier Wurzeln schlagen.
    Was das Runenschneiden anbelangt, so gibt es in der ganzen Welt nur eine Handvoll wirklicher Meister, die die Kett- und Schussfäden im Leben eines Menschen so perfekt in Stein meißeln können, dass die Nachkommen es noch tausend Jahre später lesen können. Wir wollen, dass jedermann erfährt, wie mutig wir gekämpft, wie leidenschaftlich wir geliebt haben. Wer dieses Kunststück fertigbringt, verdient in jeder Halle den besten Platz auf der Bank.
    Die Schlangenrunen auf dem Stein der Eingeschworenen sollte der Runenmeister Klepp Spaki mit einem Werkzeug einmeißeln, das so spitz wie der Schnabel eines Vogels war. Klepp Spaki hatte es von einem Mann gelernt, der bei einem Mann gelernt hatte, der bei Varinn gelernt hatte. Derselbe Varinn, der den Ruhm seines toten Sohnes in einen Stein gemeißelt hatte, was ihm so erstaunlich gut gelungen war, dass der Ort fortan Rauk hieß, was Stein bedeutete.
    Als Klepp fertig war, fuhr ich mit den Fingern über die Schlangenlinien, die er für uns gemeißelt hatte. Sie waren noch grobkörnig und auch noch nicht eingefärbt. Ich
habe das Runenlesen erst spät gelernt und habe den Odin-Zauber ihrer Zeichen nie richtig beherrscht, auch wusste ich nie, wo der Anfang war, wenn man es mir nicht zeigte.
    Man liest genauso viel mit den Fingern wie mit den Augen. Es soll schwer sein – denn schließlich bedeutet das Wort selbst ja schon »Raunen«, und Odin selbst musste neun Nächte am Weltenbaum hängen und sich mit seinem eigenen Speer verletzen, ehe er das Geheimnis entdeckte.
    Klepp beschrieb auf dem Stein der Eingeschworenen auch einen Teil meines Lebens, das weiß ich genau, auch wenn Wind und Wetter im Laufe der Jahre den Stein geglättet und mich zerfurcht haben. Zum Beispiel konnte ich mit dem Finger das Galoppieren von Hrafn, dem Hengst, finden und verfolgen, dieses Pferd, das ich einst von dem Dicken Bardi gekauft hatte.
    Dieses Pferd war schwarz, es hatte nicht ein einziges weißes Haar, und sein Name »Rabe« passte besser zu ihm als jeder andere. Er war kein Reitpferd, er war ein Zucht- und Kampfhengst. Er sollte der Vater von ganzen Pferdedynastien werden und die Eingeschworenen, die bisher Seeräuber waren, zu Züchtern von edlen Kampfhengsten machen, auf den Weiden, die Jarl Brand von Ostgotland uns im Land der Svearen und Goten gegeben hatte, dem Land, das Eirik Segersäll, oder der Siegesfrohe, allmählich zu einem Großschweden zusammenfügte.
    Hrafn. Der Name schon hätte mir Warnung sein sollen, aber ich war zu sehr von dem Gedanken besessen, in Frieden auf diesem fruchtbaren Stück Land zu leben und nie wieder mit den Eingeschworenen diesem verfluchten Silberschatz im Osten nachzujagen. Also hielt ich ein Pferd mit dem Namen Rabe für ein gutes Omen.
    Ebenso der Name unseres Hofs: Hestreng, Hengstweide. Es war gutes Weideland, das sich sanft um eine schöne
Bucht zog und uns für den Winter mit gutem Heu
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