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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot
Autoren: Robert Low
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Hochzeit, als er betrunken war, gesagt hatte: »Der war zu lange auf See. Wozu braucht jemand wie Kvasir der Sabberer, eine Frau? Wenn er erst einen Winter mit der zusammengelebt hat, wird er darum betteln, wieder an Bord gehen zu dürfen.«
    Neben ihr stand Ingrid und hackte Grünkohl, im Gegensatz zu Thorgunna war sie blond und schlank, mit wippenden Zöpfen, und sie warf Botolf, wie sie dachte, heimliche Blicke zu. Sie hatte schon ein Kind von ihm und war ihm
öffentlich versprochen. Thorgunna war die Schwester von Thordis, und beide kamen von Gunnarsgard, dem nächsten Hof. Thordis hatte Tor Eisenhand geheiratet, und Gunnarsgard gehörte den beiden Schwestern je zur Hälfte – eine unnatürliche Sache, denn ein guter Hof sollte immer an das älteste Kind gehen. Ihre Base Ingrid hatte ebenfalls bei ihnen gelebt.
    Man hätte denken können, dass Tor mit drei Frauen unter einem Dach ein gutes Leben hatte, doch die, die es besser wussten, meinten, dass er ja auch dreifachen Ärger haben müsse. Er hätte auch Thorgunna gern geheiratet, um die andere Hälfte des Hofes ebenfalls zu bekommen, aber da meldete Kvasir sich und brachte sie nach Hestreng, und Ingrid gleich mit. Das war kurz nachdem er hier bei uns angekommen war.
    »Wie sieht’s da draußen aus?«, fragte Thorgunna.
    »Der Hof ist unter Wasser«, berichtete ich und setzte mich ans Feuer. »Koch uns was Gutes – das können wir heute alle gebrauchen.«
    Sie schnaubte. »Das kann ich mir denken. Und dabei wird an so einem Tag kein Schlag Arbeit getan.«
    Das war ungerecht, denn es gab immer etwas zu tun, auch im Haus. Die zwei Webstühle hatten wochenlang nicht stillgestanden, als zwei Frauen, Leibeigene des Hauses, Bahnen von gestreiftem Vadmaltuch webten, das neue Segel für die Elk. Alle waren beschäftigt, selbst die Kinder, sei es mit Nähen, Stricken, Lederarbeiten oder einer Holzschnitzerei.
    Allerdings belagerten die Kinder im Halbdunkel lieber Botolf und bettelten um Geschichten. Die drei älteren Jungen waren Söhne der Leibeigenen, die sie von ihren früheren Eigentümern hatten; die zwei Säuglinge waren Kinder meiner Eingeschworenen, dazu kam noch ein Kuckuckskind
von Jarl Brand, und das Haus hallte wider von ihrem Lärm.
    Die Männer kamen zum Essen herein, graue Gestalten an einem grauen Tag. Sie bliesen sich die Regentropfen von der Nasenspitze und schüttelten das Wasser aus ihren Umhängen.
    Ich setzte mich auf meinen Hochsitz, wo ich Ruhe haben würde, während sich die Halle mit Lärm und Geschwätz füllte und der Geruch nach nasser Wolle sich breitmachte. Die irische Leibeigene, Aoife, versuchte gerade, ihrem Sohn eine wollene Tunika über die molligen Ärmchen zu ziehen, aus der er sich aber jedes Mal wieder herauswand. Endlich hatte sie es geschafft, gerade als Thorgunna ihr auf die Schulter klopfte und sie anwies, Muscheln aus dem Vorratshaus zu holen. Sie ging, wobei sie einen besorgten Blick auf ihren Jungen warf, der Cormac hieß und gerade im Begriff war, zu den Hirschhunden in der Ecke zu krabbeln.
    Ich saß da in meinen wollenen Kleidern und brütete vor mich hin wie ein schwarzer Hund, das Runenschwert auf den Boden gestützt, während ich auf den Griff mit den hineingeritzten Zeichen starrte. Ich hatte sie mithilfe des kleinen Eldgrim eingeritzt, als wir uns von Attilas Grab mit dem verborgenen Silberschatz zurückschleppten, denn obwohl ich nicht besonders gut im Runenlesen war, reichte es doch, um mit ihrer Hilfe den Weg zu diesem geheimen Ort wiederzufinden.
    Nach dem Grauen und den vielen Toten, die wir dort hatten lassen müssen, hatte ich mir geschworen, nie wieder dorthin zu gehen, und doch hatte ich diese Zeichen eingeritzt, als hätte ich es trotzdem vor. Odins Hand, ohne Zweifel.
    Ich hatte an dieser Angel gezappelt und mich nach Kräften
gewehrt; ich hatte viele gute Gründe gefunden und sie mit reicher Beute untermauert, damit die Eingeschworenen nicht darauf bestanden, zu Attilas Grab zurückzukehren. Und dennoch hatte ich immer gewusst, dass ich Kvasir und die anderen zu diesem verwünschten Ort bringen müsste – oder ich müsste Kvasir in das Geheimnis einweihen und ihn allein ziehen lassen. Das ging auch nicht, denn wir waren Eingeschworene und meine Angst, den Schwur zu brechen, war fast so groß wie meine Angst vor dieser unheimlichen Grabkammer.
    Der Schwur.
    Wir schwören, dass wir einander Brüder sein wollen, mit Knochen, Blut und Stahl. Wir schwören auf Gungnir, Odins Speer, möge er uns bis in
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