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Dr. Ohio und der zweite Erbe

Dr. Ohio und der zweite Erbe

Titel: Dr. Ohio und der zweite Erbe
Autoren: Mark Stichler
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Frechheit“, sagte Brigitte ärgerlich. „Ich bin immerhin ihre Chefin.“
    „Oh“, hauchte Dr. Ohio. „Ich dachte, ich wäre ihr Chef.“
    „Du weißt, wie ich das meine.“ Dr. Manstorff nickte ihm fragend zu. Ihre Stimme wurde weicher: „Ich will nicht mit dir streiten wegen der da. Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich für dich da bin. Ruf an ... oder ich schau heute Abend mal kurz bei dir vorbei.“
    Ohio zuckte mit den Schultern.
    „Ich weiß nicht, ob ich heute Abend da bin.“
    Brigitte lächelte.
    „Einen Versuch ist es wert.“ Sie drückte noch einmal seinen Arm und ging dann schnell den Gang entlang.
    Ohio seufzte und stieg zu Erika in den Aufzug.
    „Diese ...“, sagte Erika, als die Tür zufiel.
    Ohio hob die Hand und verzog das Gesicht wie bei einem plötzlichen, körperlichen Schmerz.
    „Bitte.“
    „Schon gut, schon gut“, beruhigte ihn seine Gehülfin. Sie würde nichts sagen. Jetzt nicht ...
    Sie stiegen im zweiten Stock aus, in dem Dr. Ohios Büro und seine Behandlungsräume lagen. Heute war Sonntag und es gab nicht viel zu tun. Ohio hatte Bereitschaft und wollte ein bisschen Papierkram erledigen. Außerdem hatte Erika einen Termin vereinbart mit einem Neuankömmling, der eigentlich mehr in das Schema der Manstorffs passte, Dr. Ohio aber unbedingt persönlich kennenlernen wollte.
    Sie betraten sein Sprechzimmer. Ohio blieb einen Augenblick lang stehen und ging dann weiter durch die Verbindungstür zu seinem Büro. Es bot beinahe die gleiche Aussicht wie seine Wohnung. Nur war hier alles in hellem Beige und Weiß gehalten. Bei ihm standen alte Ledersessel und eine Couch mit Holzrahmen. In seinem Büro waren nur die Beine seines Schreibtischs aus Holz, der Rest war Glas, Metall, Plastik.
    Der Schreibtisch stand quer vor der Fensterfront, die den Blick auf die Felder und Wälder auf der gegenüberliegenden Seite des Tals freigab, sodass Dr. Ohio mit dem Rücken dazu saß. Entfernt waren die ersten Häuser von Glashütte zu sehen. Rechts und links an den Wänden seines Büros hingen die üblichen Bilder. Nichts Aufgeregtes, alles in beruhigenden Farben gehalten. Einzig eine kleine Tusche- oder Tintenkleckserei, die ein bisschen an einen Rorschachtest erinnerte, fiel aus dem Rahmen. Schräg gegenüber davon befand sich eine kleine Sitzecke mit einem Glastisch und cremefarbenen Sesseln. Alles in allem kein unangenehmes Büro, aber heute Nachmittag fiel es Ohio schwer, auf seinem breiten Bürosessel Platz zu nehmen.
    Er schwenkte ihn herum und sah hinaus aufs Land.
    „Heute ist es, als würde es schon wieder Herbst werden“, sagte er leise und spielte mit einem Bleistift. „Als würde die Zeit es noch eiliger haben und schon ganze Jahreszeiten ausfallen lassen.“
    Erika schloss die Tür.
    „Soll ich den Termin absagen?“, fragte sie vorsichtig.
    „Ach, ich bitte Sie. Behandeln Sie mich nicht wie ein kleines Kind.“ Ärgerlich drehte er seinen Sessel wieder dem Zimmer zu.
    In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und ein breiter Mann mit einem strahlenden Lächeln kam herein. Er trug eine offensichtlich brandneue Freizeitausrüstung, braune Sneakers, weiße, zu enge Hosen und ein gestreiftes Polohemd, auf dem ein Abzeichen prangte, das jedem Golf- oder Yachtclub Ehre gemacht hätte. Seine Augen strahlten wie sein Lächeln aus einem roten, runden Kopf, der spärlich mit dunkelbraunen Haaren bewachsen war.
    „Dr. Ohaijoh!“, rief er und eilte mit ausgestrecktem, wollebewachsenem Arm auf Ohio zu. „Walton. Arthur Walton.“
    „Es ist eigentlich nicht üblich, sich selbst hereinzulassen“, sagte Dr. Ohio kühl und reichte ihm die Hand. „Man wartet im Sprechzimmer, bis man aufgerufen wird ... oder hereingebracht.“
    Der Mann hob entschuldigend die Hände.
    „Es war niemand da. Aber wenn ich gewusst hätte, dass Sie so aparten Besuch haben ...“ Er deutete mit dem Kopf auf Erika und zeigte eine Reihe weißer Zähne.
    „Das ist meine Gehül... meine Assistentin.“
    „Ja, ja. Ja, ja“, sagte der Mann und rieb sich die Hände. „Dr. Ohaijoh, Sie glauben gar nicht, wie ich mich freue, Sie kennenzulernen. Sie sehen, Ihr Ruf eilt Ihnen voraus bis in ferne Länder.“ Er deutete mit dem Daumen auf sich.
    „Setzen Sie sich.“ Ohio zeigte auf einen Stuhl. „Und es heißt Ohio. Wie man es schreibt. Ich bin nicht aus den Südstaaten. Ich bin Japaner.“
    Er bedeutete Erika, aus dem Zimmer zu gehen und die Tür zu schließen.
    „Ja, ich sehe, ich sehe. Dr. Ohaijoh ...“,
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