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Dr. med. Erika Werner

Dr. med. Erika Werner

Titel: Dr. med. Erika Werner
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auf Freispruch in einem schnellen internen Revisionsverfahren ohne Verhandlung vor. Die Unschuld Erika Werners war erwiesen. Was jetzt kam, war nur noch ein Verwaltungsakt. Die sofortige Entlassung aus dem Zuchthaus wurde angeordnet. Jeder Tag länger erhöhte die Entschädigung, die Dr. Plattner einklagen wollte.
    Dr. Rumholtz hatte es nach einer Rücksprache mit dem Zuchthausdirektor übernommen, Erika davon zu unterrichten. Noch wußte keiner von der veränderten Situation, noch wurde Erika als Zuchthäuslerin behandelt. Sie war am Abend eingeschlossen worden und wurde am Morgen von der Revierbeamtin geweckt. Sie zog ihre rauhe Anstaltskleidung an und darüber den weißen Arztkittel.
    Dr. Rumholtz schnellte hoch, als sie in sein Zimmer kam.
    »Wir haben zwei böse Furunkulosen«, sagte sie. »Eine müssen wir heute morgen noch schneiden.« Sie sah auf die Uhr an der Wand. »Wann beginnt der Prozeß? Wieder um 11 Uhr? Sollen wir gleich operieren?«
    »Ich muß Ihnen etwas sagen, Erika.«
    »Ist etwas geschehen?« fragte Erika leise.
    »Ja.«
    »Es wird nicht verhandelt?«
    »Nein. Der Prozeß findet nicht mehr statt.«
    »Aber …«
    »Erika. Ich …« Dr. Rumholtz suchte nach Worten. Erika Werner kam ihm entgegen, unbewußt, als sie fragte:
    »Bornholm hat gestanden …«
    »Ja. Er hat gestanden. Sie werden morgen schon entlassen werden. Als freier Mensch. Ich freue mich so für Sie, Erika.«
    »Und Bornholm?«
    »Bei ihm wird alles seinen vorgeschriebenen Gang gehen«, sagte Dr. Rumholtz ausweichend.
    »Ich hätte nicht gedacht, daß er so kampflos aufgibt.«
    »Wir haben das alle nicht erwartet …« Dr. Rumholtz wandte sich den Krankengeschichten zu, die auf dem Tisch lagen. »Ihr letzter Tag im Zuchthauskrankenhaus, Erika. Gut. Operieren wir die Furunkulose. Im übrigen liegt in Block E ein Appendix. Noch nicht akut, aber …«
    »Nehmen wir ihn gleich mit.« Erika strich sich die Haare aus der Stirn. »Heute bin ich noch da … morgen sind Sie ja wieder …«, sie stockte und sprach es dann leise aus: »… wieder allein.«
    Dr. Rumholtz wandte sich ab. Jetzt könnte ich ihr sagen, wie sehr ich sie liebe. Aber das Schicksal ist gemein. Der Tod Bornholms steht zwischen uns. Ehe sie es nicht weiß, kann ich nichts zu ihr sagen. Nicht der geringste Betrug soll zwischen uns sein.
    »Es war eine schöne Zeit … auch für unsere Kranken«, sagte er mit belegter Stimme. »Für die Zuchthäuslerinnen waren Sie so etwas wie ein Sonnenstrahl, der durch die Gitter schien. Die Mörderinnen und Diebinnen, die Dirnen und Betrügerinnen werden Sie vermissen … vielleicht ebensosehr wie ihre Freiheit …«
    »Ich habe viel gelernt.« Erika sah an sich herunter, auf den blauen Leinenrock, die dicken Strümpfe, die flachen, geflickten Schuhe. »Ich habe mehr vom Menschen gelernt als in all den Studiensemestern und Klinikjahren. Dort hatten wir kranke Körper, manchmal nicht einmal das, sondern nur eine Krankheit und eine Nummer auf der Untersuchungsliste … hier habe ich den kranken Menschen kennengelernt, den Menschen mit all seinen verborgenen Nöten und versteckten Sehnsüchten. Das war schön … trotz allem. Ich werde vielleicht sogar ohne Gram zurückdenken können.«
    »Das wäre schön.« Dr. Rumholtz schluckte. Er hatte plötzlich einen dicken Kloß im Hals. »Und wenn Sie in diese Gedanken auch mich ab und zu einbauen würden …«
    »Bestimmt, Peter …« Es war das erstemal, daß sie seinen Vornamen nannte. Dr. Rumholtz ließ die Krankenblätter, die er in der Hand hielt, fallen und drehte sich herum..
    »Erika«, sagte er leise.
    »Bitte, Peter. Ich weiß seit Monaten, was Sie mir immer sagen wollen. Bitte, nicht jetzt. Erst will ich draußen die freie Luft einatmen … ich will über eine Straße gehen, ohne die Angst, die Pleuel folgt mir … ich will in einem Café sitzen und eine Torte essen … in ein Geschäft gehen und mir Schuhe kaufen mit hohen, ganz hohen Absätzen … und ein buntes Kleid, dünne, ganz dünne Strümpfe … und Dauerwellen will ich haben und rote Nägel und rote Lippen … und … und alles, was es hier nicht gegeben hat … zwei Jahre lang. Können Sie das verstehen? Und wenn ich dann weiß, wenn ich es fühle, sehe, begreife vor allem: Du bist ja frei! Du kannst ja tun, was du willst … dann wollen wir uns wiedersehen. Ich verspreche es Ihnen, Peter.«
    Dr. Rumholtz nickte. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er würgte an den Worten.
    »Ich werde warten, Erika … Und nun zu den
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