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Dr. med. Erika Werner

Dr. med. Erika Werner

Titel: Dr. med. Erika Werner
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hier brannten auf dem langen, gekachelten Flur nur drei kleine Notlämpchen. Die Türen standen offen, Vorbereitungsraum, aseptischer Saal … Vorbereitungszimmer, septischer Saal … Verbandszimmer … Gipskammer … OP-Apotheke … Wäschekammer … Ärztezimmer mit Röntgendiagnosekästen … Schwesternzimmer …
    Unruhig ging Dr. Bornholm von Zimmer zu Zimmer. Überall drehte er das Licht an.
    Ein Arzt, der vom Fenster der Wachstation hinübersehen konnte zum OP-Trakt, warf die Karten hin.
    »Der Alte ist im OP und macht Festbeleuchtung! Was soll denn das?«
    Der Oberarzt III hob die Schultern. »Will vielleicht kontrollieren, ob alle Birnen brennen …«
    Professor Bornholm hatte den OP-Trakt dreimal durchschritten. Es fiel ihm schwer, zu denken, daß diese Welt, in der er gelebt hatte, mit dem Beginn des neuen Morgens nicht mehr für ihn vorhanden war. Sein Untergang würde vollkommen sein. Aberkennung der Professur, Wegnahme des Chefarztpostens, Entzug der Approbation … er würde ein Namenloser sein, wenn er morgen den Gerichtssaal verließ.
    Bornholm ließ die Lichter brennen, fuhr mit dem Fahrstuhl zur Halle hinab und rief dem Portier zu:
    »Ich komme gleich wieder.«
    Dann fuhr er durch die schlafende Stadt zum Gericht und warf einen Brief in den großen Briefkasten. Eine halbe Stunde später war er wieder in seinem Krankenhaus.
    Bornholm hatte die Türen zu den einzelnen Operationszimmern geschlossen. Im aseptischen Operationssaal hatte er den OP-Tisch langgeklappt, den Hocker herangezogen und seine Jacke darauf gelegt. In seinem weißen Operationsmantel und in weißen Leinenschuhen, so wie er seit Jahren an den geöffneten Leibern gestanden hatte, ging er hinüber zur OP-Apotheke, holte eine große Flasche Narkoseäther, schob einen Tropfapparat in den OP und füllte vorsichtig den Glasbehälter mit dem Narkoseäther. Mit dicken Mull-Lagen verschloß er darauf die Öffnung, schob den Apparat an den OP-Tisch, legte sich auf ihn und schob eine Narkosemarke über seine Nase.
    Genau stellte er den Hahn auf die Maske ein, machte eine Tropfkontrolle, richtete ihn noch etwas aus und drehte dann den Tropfhahn wieder auf.
    Lang ausgestreckt, ganz ruhig, mit geschlossenen Augen lag er auf dem OP-Tisch und wartete auf das Weggleiten aus dieser Welt.
    Das Leben war schön, dachte er, verdammt schön …
    Dann holte er tief Atem …
    Es war gegen 4 Uhr morgens, als die Wachstation Alarm erhielt.
    Ein schwerer Autounfall wurde eingeliefert. Zusammenstoß auf der Autobahn. Ein Toter, drei Schwerverletzte. Von der Autobahn war angerufen worden … in zehn Minuten kamen die Krankenwagen.
    »Alles vorbereiten zur Operation!« sagte Oberarzt III. »Wenn die Verletzten kommen, können sie sofort versorgt werden. Ich gehe zum Chef hoch …« Er sah aus dem Fenster. Im OP-Trakt brannten noch die Lichter. »Vielleicht operiert er sogar mit. Jetzt bin ich fast froh, daß er da ist. Mit Unfall-Chirurgie hab' ich wenig Erfahrung!«
    Er ging zum Fahrstuhl und fuhr nach oben. Der 2. Assistent holte unterdessen telefonisch die OP-Schwestern aus den Betten.
    Fünf Minuten später gellte die Alarmglocke durch das ganze Haus. Schrill, in allen Stationen.
    Großalarm! Die Ärzte rannten zum OP-Trakt. Plötzlich waren auch Schwestern da … zehn … fünfzehn … mit verschlafenen Gesichtern …
    Im Eingang zum aseptischen OP stand wachsbleich der Oberarzt III.
    Er trat zur Seite und gab den Blick frei.
    Auf dem OP-Tisch lag Professor Bornholm. Neben ihm, auf dem Boden zersplittert, die Tropfflasche in dem eisernen Gestell. Der Oberarzt hatte sie umgestoßen, als er durch die Ätherluft zum Fenster rannte und die großen Glasflügel aufstieß. Nun fegte der Wind durch den OP und ließ die weißen Haare Bornholms flattern.
    »Beatmungsgerät!« schrie der 2. Assistent.
    »Zu spät …« Der Oberarzt senkte den Kopf. »Er ist seit einer halben Stunde schon …«
    Der zweite Verhandlungstag fand nicht statt.
    Das Gericht hatte den Brief Bornholms mit seinem Geständnis und seiner Erklärung, daß er aus dem Leben scheiden würde, erhalten. Als der Vorsitzende entsetzt bei der Staatsanwaltschaft anrief, sagte er nichts Neues. Seit 4 Uhr morgens war der Polizeiapparat bereits angelaufen. Der Oberarzt hatte sofort den Vorfall gemeldet. Die Leiche war beschlagnahmt worden. Die Untersuchungen der Kriminalpolizei ergaben einen einwandfreien Selbstmord durch Äther.
    Die Staatsanwaltschaft bereitete die Aufhebung aller Maßnahmen und den Antrag
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