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Dr. med. Erika Werner

Dr. med. Erika Werner

Titel: Dr. med. Erika Werner
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ohne Gruß ab und ging mit schweren, allmählich schneller werdenden Schritten zur Tür.
    Es klopfte. Ein Justizwachtmeister steckte den Kopf herein.
    »Ich soll fragen, ob die Zeugin … Wo ist denn unser Arzt?« unterbrach er sich und sah sich suchend um.
    »Der Gerichtsarzt ist nicht hier«, erklärte Dr. Rumholtz. »Aber ich bin der Arzt der Zeugin.« Er warf Erika einen prüfenden Blick zu. Sie nickte. »Die Zeugin ist in der Lage, mit der Aussage fortzufahren«, ergänzte er.
    »Danke. Ich wollte nur Bescheid sagen, daß in fünf Minuten die Verhandlung weitergeht. Die Kollegin hier draußen«, er wies mit dem Kopf nach hinten auf die Zuchthausaufseherin, »wartet schon, um die Zeugin 'reinzubringen.«
    »Na, denn man los«, sagte Plattner, als die Tür sich wieder geschlossen hatte. Die beiden anderen blieben reglos stehen. »Was habt ihr denn auf einmal?« fragte er erstaunt.
    Sie beachteten ihn nicht.
    »He, ihr zwei!« rief er. »Es geht weiter!«
    Statt zu antworten, ging Rumholtz auf Erika zu und legte ihr den Arm um die Schultern.
    »Kopf hoch, Kollegin!« sagte er. »Nur ein paar Minuten, dann haben Sie es überstanden. Kommen Sie.«
    Mit ernsten Gesichtern gingen sie hinaus. Plattner trottete hinterher. Draußen schloß sich ihnen die Aufseherin an. Schweigend ging der kleine Zug den Gang entlang.
    Aber die Verhandlung wurde nicht wieder aufgenommen. Nach der Auseinandersetzung mit dem Klienten hatten sich die Rechtsanwälte geeinigt, die Vertretung Professor Dr. Bornholms niederzulegen. Das war eine kleine Sensation.
    Das Gericht vertagte sich, bis Bornholm einen neuen Anwalt bestimmte. Es mußte in spätestens zwei Tagen geschehen.
    »Eine Galgenfrist«, sagte Dr. Plattner zu Erika und Dr. Rumholtz. »Er ist in einem Teufelskreis geraten. Und er wird nicht mehr herauskommen … Er mag wohl jetzt der einsamste Mann der Welt sein.«
    Professor Bornholm stand vor seinem Wagen. Niemand sah ihm an, daß in und um ihn die Entscheidung gefallen war. Jetzt an der Schwelle des Unterganges, zeigte er eine Haltung, die einer besseren Sache würdig gewesen wäre.
    Er stieg ein, fuhr schnell an und hinterließ eine verwehende Staubwolke.
    Spät in der Nacht erreichte er sein Krankenhaus.
    Der Nachtportier stürzte aus dem Glaskasten, als er den Wagen des Chefs vorfahren sah. Er hatte vor maßloser Verblüffung gar keine Zeit mehr gehabt, die Nachtwachen zu alarmieren. Das ärztliche Nacht-Team lag in den Betten und schlief. Sogar die Schwestern der Wachstation, auf der die Frischoperierten lagen, hatten sich hingelegt. Es war gegen 3 Uhr nachts. Die Zeit des toten Punktes bei allen Nachtwachen.
    »Herr – Herr Professor«, stammelte der Nachtportier. »Ist etwas Besonders? Soll ich …«
    »Lassen Sie alles in Ruhe.« Bornholm klopfte dem verwirrten Mann auf die Schulter. »Ich weiß, daß alles im Hause pennt. Habe es früher ja selbst so gemacht! Wenn es drauf ankommt, sind sie ja doch alle da!« Er ging in die Halle der Klinik, sah auf das große Marienbild, das vom flackernden Schein des Lichtes wie ein Schemen an der Rückwand des unteren Flures tanzte, und wandte sich dann um.
    »Ich möchte nicht gestört werden. Ich habe zu arbeiten.«
    »Selbstverständlich, Herr Professor.«
    »Was auch im Haus geschieht … es macht alles das Nacht-Team. Ich bin gar nicht hier.«
    »Ich verstehe! Der Herr Professor sind gar nicht im Haus.«
    »Richtig.« Bornholm griff in die Tasche. Er holte eine volle Packung Zigaretten hervor und drückte sie dem Nachtportier in die Hand. Ehe sich dieser bedanken konnte, war Bornholm in den Fahrstuhl gestiegen und ließ sich nach oben fahren.
    In den ersten Stock. Zum Operationstrakt.
    Der Nachtportier rannte in seine Glaszelle zurück. Das alte Gesetz, Alarm zu geben, wenn der Chef im Haus war, durfte auch zu dieser Zeit nicht verletzt werden. Er drückte auf alle Knöpfe der Nachtwachezimmer und verkündete durch die Haussprechanlage den sich verschlafen meldenden Stimmen:
    »Der Chef ist eben gekommen!«
    »Mist!« Der Oberarzt III gähnte laut. »Wenn Chefs Langeweile haben. Danke Ihnen, Schmidt.«
    Das Krankenhaus erwachte. Diskret, leise, unauffällig. Die Wachstationen waren besetzt mit lesenden Schwestern, im Ärztezimmer spielte das Nacht-Team einen müden Skat. In der Teeküche nebenan kochte Kaffeewasser. Wenn der Chef durchkam, war alles in Ordnung.
    Aber Professor Bornholm kam nicht.
    Vom Fahrstuhl war er durch die Milchglaspendeltür in den Operationstrakt gegangen.
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