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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf
Autoren: Alison Gaylin
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von Hand genähten Quilt ihrer Großmutter, dessen Gewicht sie zu erdrücken schien. Zum T-Shirt ihrer Schwester. Cleas Shirt. Extragroß, hellgrau, mit aus dem Kragen herausgeschnittenem Schild. Vorn war das Led Zeppelinsche ZOSO -Logo in kleinen schwarzen Buchstaben und hinten – in riesigen, gotischen Lettern – THE SONG REMAINS THE SAME auf den Stoff gedruckt. Clea hatte das T-Shirt einem ihrer Freunde geklaut, immer darin geschlafen …
    â€¦ und jetzt zieht Brenna es zum Schlafen an. Es ist inzwischen so oft gewaschen worden, dass die Baumwolle noch dünner als ein Kleenex ist, aber wenn Brenna sich den Kragen über die Nase zieht und ganz tief einatmet, riecht es immer noch nach Shalimar. Nach Shalimar und Zigaretten und …
    30. September 1981. Ein Monat nach Einsetzen des Syndroms. Ein Monat und neun Tage nachdem Brennas große Schwester Clea in den blauen Wagen eingestiegen und der Wagen weggefahren war.
    Â»Bitte, komm zurück«, flüstert Brenna den im Dunkeln leuchtenden Sternen unter ihrer Zimmerdecke zu. »Bitte, bitte, lieber Gott, lass Clea zurückkommen.« Sie kneift die Augen zu. Trotzdem brechen sich die Tränen Bahn. So heiß, als brennen sie sich ihr für immer in die Haut.
    Abermals vibrierte Brennas Handy.
    Â»Alles okay?«, fragte die Kellnerin besorgt.
    Â»Ja, ich …«
    Â»Sie sehen aus, als hätten Sie –«
    Â»Es geht mir gut .« Brenna zerrte ihr Handy aus der Tasche und warf einen Blick auf das Display. Sie dachte, es wäre noch mal Trent, doch statt seines Namens tauchte diesmal eine Nummer auf. Vorwahl 914. Diese Nummer hatte sie schon mal gesehen, deswegen wusste sie, von wem der Anruf kam.
    Sie drückte auf den grünen Knopf, und als eine Stimme mit brooklynschem Akzent sie fragte, ob sie Brenna Spector sei, stieg auch die Erinnerung an diese Stimme (wie bei jeder Stimme einschließlich der kleinsten Atempausen und mit sämtlichen Kadenzen) in ihr auf. Sie erinnerte sich daran, wie sie diese Stimme zum ersten Mal gehört hatte, und fühlte sich auch wieder wie an jenem Tag … dem 16. Oktober 1998.
    Brenna biss sich auf die Lippe. Und blieb in der Gegenwart. Aber als der Anrufer ihr seinen Namen nannte, fiel sie unwillkürlich ein: »Detective Nick Morasco von der Polizei in Tarry Ridge.«
    Morasco holte zischend Luft. »Tut mir leid«, erklärte er. »Aber sind wir uns schon mal irgendwo begegnet?«
    Brenna wollte ihm eine Erklärung geben, doch die Müdigkeit und die immer stärker werdende Erinnerung hatten sie ihres Filters beraubt, und wieder brachen sich die Worte einfach Bahn. »Geht es um Iris Neff?«
    Es dauerte sehr lange, ehe ihr Morasco eine Antwort gab.

2
    Brenna war erschöpft – was nicht wirklich übel war, denn schließlich hielt es sie vom Denken ab. Sofort nach Ende des Gesprächs kehrte sie ins Mirage zurück, aß im dortigen Café etliche Pfannkuchen, begab sich in ihr Zimmer, versank umgehend in einem komatösen Schlaf, stand um null Uhr wieder auf, duschte, zog sich an, packte, checkte aus und fuhr mit dem Taxi zum Flughafen. All das völlig automatisch, während ihr Gehirn noch immer auf Stand-by zu stehen schien.
    Auch während des Check-in ging es so weiter, während sie an den Reihen der Glücksspielautomaten mitten im Flughafen vorüberlief, von denen einer leise klingelte, als eine traurig aussehende, alte Frau ihn mit Münzen fütterte ( Denken Sie doch an die Chancen. Brenna hätte sie am liebsten angeschrien und dabei noch geschüttelt. Denken Sie doch bitte daran, dass man gegen diese Dinger nie gewinnen kann. ), und während sie wie betäubt am Flugsteig wartete und sich über ihren MP 3-Player mit Lust for Life von Iggy Pop berieseln ließ, um die Nachrichten auf CNN zu übertönen, da es auf den beiden Bildschirmen, die links und rechts des Gates unter der Decke hingen, ein ums andere Mal irgendeinen Brand in irgendeinem Heim im Norden des Staates New York zu sehen gab. Die Bildschirme glühten wie die Augen des Teufels, während auf ihnen die Flammen loderten. (Waren die Redakteure dieses Senders vielleicht alle Pyromanen? Weshalb sonst fuhren sie wohl derart auf Feuer ab?)
    Erst nachdem ihr Flugzeug in Richtung New York gestartet war und der Pilot verkündet hatte, sie hätten ihre Flughöhe erreicht, lehnte sie sich in ihrem Sitz zurück und dachte an das
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