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Dornroeschengift

Dornroeschengift

Titel: Dornroeschengift
Autoren: Krystyna Kuhn
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Kopf arbeitete es fieberhaft . »Das war meine Familie.« Toms Zeigefinger stieß immer wiede r in seine Brust. »Ja, meine Familie stammte aus dieser Gegend . Und hat das hier aufgegeben für ein sinnloses Abenteuer am an deren Ende der Welt. « War er verrückt? Anders konnte es nicht sein . »Ich wollte dich kennenlernen: Mike’s clever little princess! « Während er weitersprach, wusste ich wieder, woher ich de n Namen Rosenthal kannte . Jamaica ! Ich erinnerte mich plötzlich. Sie war in Toms Zimmer gewese n und hatte mich gefragt: »Wer ist Rosenthal? « »Wo ist Jamaica?«, fragte ich . Tom begann zu lachen. Er konnte nicht mehr aufhören . »Des Rätsels Lösung . . .«, sagte er, »liegt in der dunklen Vergan genheit.« Er lachte erneut und presste die Hände an die Schlä fen, als leide er unter starken Kopfschmerzen . »Sag mir, wo sie ist!«, bat ich ihn . »Der Zufall«, sprach er weiter, »der Zufall hat mich Lisa finde n lassen und ich habe verstanden: Mein Weg ist richtig! « Seltsam, dass ich mich bewegen konnte, obwohl ich völlig er starrt war . Ich wandte mich um . Da war so ein Gefühl von Zeitlupe . Ich wollte einfach nur weg . Doch ich konnte nur in den Wald fliehen . Geradeaus losrennen . In das Dunkel . Mir schien, der Wind, der nun einsetzte, trieb mich voran . Über mir die schrillen Rufe der Wildgänse . Der Nebel war zurückgekehrt .

Ins Dunkel
    I m ersten Moment konnte ich nicht viel erkennen: Grauer Dunst überzog den Himmel wie ein schmutziger schwerer Stoff, bis meine Augen sich an das düstere Licht gewöhnten. Je tiefer ich in den Wald kam, desto kahler wurden die Stämme. Über mir versperrten dichte Baumkronen den Blick zum Him mel. Das Gras zu beiden Seiten des Weges war gelb, weil ihm das Licht fehlte. Früher hatte es Mike und mir riesiges Vergnü gen bereitet, die seltsamsten Tiere in den verkrümmten, vom Seewind verdrehten Stämmen zu entdecken. Nun hörte ich wieder unsere Stimmen, die laut im Wald widerhallten, wenn wir uns Fantasienamen zuriefen: Wolfskrododil, Hirschbär, Rüsselkuh, Affenkrähe. Ich trat wie wahnsinnig in die Pedale, um schneller voranzu kommen. Weit konnte ich nicht mehr vom Strand entfernt sein. Ich hörte schon das Meer rauschen. Laut schlugen die Wellen gegen die Steilküste. Ich fuhr weiter, verlor jedes Zeitgefühl. Der Wald schien endlos. Ich konnte nichts hören außer meinem Atem und dem Rau schen des Blutes in meinen Ohren. Trotz des Windes, der durch die Bäume pfiff, vernahm ich die Schritte hinter mir. Äste knackten. Und Toms Stimme rief meinen Namen: »Sofie! Sofie! Ich finde dich.«
    Ich sprang vom Fahrrad, warf es zu Boden und wandte mich nach links, rannte zwischen den Bäumen durch. Äste schlugen mir ins Gesicht, Dornen verhakten sich in meiner Kleidung. Ich riss die Jacke mit einem heftigen Ruck los, stolperte und stürzte. Steh wieder auf und lauf, Sofie, lauf! Ich wusste nicht einmal, warum ich rannte. Tom hatte mir nicht gedroht, nichts darüber gesagt, dass er wusste, was mit Jamai ca passiert war. Ich lief vor einem Phantom davon. Einem Phan tom in Toms Gestalt. Der Nebel wurde immer dichter. Er schlich zwischen den Bäu men umher, dämpfte alle Geräusche, ließ formlose Gespenster auftauchen. Ein Vogel flog mit lautem Flügelschlag aus dem Geäst eines Baumes und stieß einen Schrei aus. Das Blut hämmerte in mei nen Schläfen, ich rannte und rannte. Plötzlich wusste ich, wo ich mich verstecken konnte – in der Höhle – einer Einbuchtung im Kliff, die Jahr für Jahr größer wur de durch die Kraft der Wellen. Du bist im Vorteil, redete ich mir ein. Du kennst dich hier aus. Es ist nicht mehr weit.
    Weiße Nebelfetzen hingen in den zerklüfteten Felsen der Steil küste und die feuchte Luft bedeckte Gesicht und Hände. Ich kam am Strand nur langsam voran, da die Füße im feuchten Sand versanken. Als ich in der Ferne einige Spaziergänger er kannte, beruhigte ich mich etwas. Der Eingang zur Höhle befand sich knapp drei Meter über dem Strand. Der kalte, feuchte Stein des Felsens bereitete beim Hochklettern Probleme. Meine klammen Finger suchten nach Rissen und Vorsprüngen, in denen die Füße Halt finden konn ten. Müde vom Laufen, schaffte ich es kaum, mich hochzuzie hen, während ich gleichzeitig immer wieder einen Blick zurück warf, um Ausschau nach Tom zu halten . Da war niemand. Nur die Spaziergänger, weit, weit entfernt . Hatte er die Verfolgung aufgegeben? War er mir überhaupt ge folgt ? Endlich stand ich auf
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