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Dornroeschengift

Dornroeschengift

Titel: Dornroeschengift
Autoren: Krystyna Kuhn
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sie ein: »Ich weiß, es tut weh, aber es ist gleich vorbei. Halte noch ein wenig durch.« Ihre Antwort klang nicht gerade freundlich, bis ich begriff, wa rum. Wenn ich erst ihre Hände befreite, konnte sie selbst das Klebeband lösen. Wenige Sekunden später, als sie endlich wieder ihre Finger bewegen konnte, zog sie zitternd das Klebeband vom Mund, ohne Rücksicht darauf, dass sie ein Büschel Haare mit sich riss.
    Hatte sie überhaupt einmal geweint, während sie so dagelege n hatte? Ich weiß es nicht. Aber das Erste, was sie sagte, als si e wieder sprechen konnte, war: »Das Schwein bring ich um. « »Wen? « »Tom. Crocodile Dundee. « Mein Herz fühlte sich plötzlich eisig an wie der felsige Bode n unter mir und die Wut, die mich erfüllte, war mir fremd. Wa s ich bisher Wut genannt hatte, war nicht mehr gewesen als lä cherliche Empörung. Nein, jetzt empfand ich Erbitterung, Zor n und einen Hass, der mich mein Leben lang verfolgen würde . Nur eine Frage ging mir die ganze Zeit im Kopf herum, währen d Jamaica und ich uns umarmten . Warum ? »Kannst du aufstehen?«, fragte ich Jamaica, die nun versuchte , Beine und Arme zu bewegen . »Ich glaube, ich werde mein Leben lang im Rollstuhl sitzen . Aber egal, versuchen wir es. « Unter der niedrigen Felsendecke hatte sie Probleme, sich auf zurichten. Doch sie schaffte es . »Ich verstehe es nicht«, sagte ich. »Warum hat er das getan? « Jamaica schüttelte den Kopf. »Ich will erst raus hier. « In diesem Moment hörten wir eine laute Stimme, die sagte : »Sorry girls. To late! « Gelähmt vor Schrecken, wandten wir den Blick Richtung Aus gang. Toms Schatten zeichnete sich vor dem Horizont ab . Es war zu dunkel, um ihn genau zu sehen, doch seine Stimm e war unverkennbar . Einige Minuten lang blieb er am Eingang stehen, dann rutscht e sein Schatten an der Wand entlang nach unten, wo er in der Ho cke verharrte . Ich griff nach Jamaicas Hand und drückte sie fest . »Lass uns gehen«, sagte ich .
    Müde wandte er mir den Kopf zu. »Shut up, little princess« , murmelte er . »Wir haben dir nichts getan! « »That isn’t the question. « Seine Hände fassten sich an die Schläfen. Ich kannte diese Be wegung bereits. Das Zeichen, dass ihn Kopfschmerzen quälten . »Was wolltest du Jamaica antun?«, fragte ich. »Sie einfach hie r liegen lassen? « »Ihr Tod hätte doch genau gepasst.« Mich fröstelte, als er be i diesen Worten laut auflachte . »Was meinst du? « »Sobald sie tot gewesen wäre, hätte ich sie zu derselben Stell e gebracht, wo ich Lisa gefunden habe. « »Lisa? « »Zwei tote Mädchen hier am Arsch der Welt. So etwas kan n schließlich kein Zufall sein. Man hätte nach demselben Täte r gesucht, oder? Keiner wäre auf mich gekommen. « Er lachte erneut seltsam heiser . »Aber warum?« Ja, ich wollte es wirklich verstehen, wie imme r den Dingen auf den Grund gehen . Im Gegensatz zu Jamaica, die jetzt fluchte: »Fuck, stell ihm kei ne Fragen. Es interessiert mich einen Scheiß, warum er durch geknallt ist. Er ist einfach nur ein Psychojunkie, verstehst du ? Der muss andere quälen, um sich gut zu fühlen. « »Shut up«, hörte ich Tom ruhig antworten . »Lass uns gehen, Tom«, bat ich mit meiner Schwesterstimme , die für Mike reserviert war . Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. « »Warum nicht? « »I had a dream. A good dream for a bad boy.« Er lachte erneu t auf . Ein guter Traum für einen bösen Jungen .
    Was meinte er damit ? In diesem Moment drückte Jamaica fest meine Hand, wollte mi r signalisieren, dass sie etwas vorhatte. Mir blieb keine Zeit z u überlegen, denn sie hechtete nach vorne. Ich dachte, sie würd e sich auf Tom stürzen, doch stattdessen erreichte sie den Aus gang und sprang drei Meter in die Tiefe . Jamaica ließ mich alleine zurück, ließ mich im Stich. Meine Ge danken überschlugen sich. Ich aber war hier gefangen mit je mandem, der offenbar in einer Welt aus Gedanken lebte, di e genauso gut von Außerirdischen erdacht sein könnten . Ich fühlte mich hoffnungslos verloren, während Tom vor sic h hin fluchte . In der Praxis meines Vaters hing ein Plakat zur Akupunktur. Zi g Nadeln steckten im Kopf. Genauso fühlte ich mich . Du musst etwas unternehmen, nicht einfach nur dasitzen . Sag etwas ! Tu etwas ! Mach’s wie Jamaica – hau einfach ab . Doch ich war nicht Jamaica . Kein Outlaw . Ich war die Vernünftige . Die Ruhige . »Was willst du nun tun?«, hörte ich meine Stimme in der Dun kelheit. Ich musste laut
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