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Dornröschengift

Dornröschengift

Titel: Dornröschengift
Autoren: Krystyna Kuhn
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Schultern und hörte Hendrik zu, der lau t schlürfend seinen Tee trank. »Nee, nee, up keinen Fall. Dat wa r
    keen Tier. So ein Loch, dat buddelt nur ein Mensch«, erklärte e r meiner Mutter, die ungeduldig die Augen zusammenkniff . Oh, ich kannte diesen Blick, der ausdrückte: Ich will davo n nichts wissen . »Welches Loch?«, hakte ich nach . Mam warf Hendrik einen warnenden Blick zu, daher wiederhol te ich lauter: »Welches Loch? « Hendrik, der allzu gerne erzählte, ließ sich nicht einschüchtern . »Da hat wer gegraben«, erklärte er und schüttelte erneut de n Kopf. »Und ik find den. « »Es war ein Fuchs«, sagte meine Mam müde . »Nee, nee, der hat mit der Schippe gegraben und denn wedde r das Loch zugeschüttet. Ik sehe doch die frische Erde. Der hat d a was vergraben«, beharrte der alte Gärtner dickköpfig . »Grab es halt wieder aus«, schlug ich vor und verstaute mei n Pausenbrot in meinem Rucksack . »Das werd ik, Lütte«, nickte Hendrik und sein weißer Kop f schien nicht mehr aufhören zu wollen, sich auf-und abzubewe gen. »Das werd ik. Darauf kannst du Gift nehmen.« Er hob di e Tasse an den Mund und schlürfte den letzten Schluck von sei nem heißen Tee . »Schluss jetzt! Ich möchte davon nichts mehr wissen«, erklärt e meine Mutter und wandte sich mir zu: »Sofie, du musst dic h beeilen. Der Bus geht in fünf Minuten. « »Wann kommt Tom eigentlich heute? « »Er wollte sich noch einmal melden.« Der Kopf meines Vater s tauchte erneut hinter der Zeitung auf. »Sein Flugzeug lande t heute Morgen in Rostock, von dort will er den Zug nehmen. « Ordentlich faltete er die Zeitung zusammen und erhob sich . »Soll ich dich in die Schule mitnehmen? Der Bürgermeisteri n geht es nicht gut. « »Was hat se denn?«, fragte Hendrik neugierig .
    »Patientengeheimnis«, erwiderte mein Vater. »Beeil dich, Mot te. Wir packen dein Fahrrad hinten rein, ich weiß nicht, ob ic h dich mittags abholen kann. «
    Mein Kopf schmerzte, als ich vor dem Schultor das Fahrra d aus dem Landrover hob. Im nächsten Moment war mein Vate r bereits verschwunden. Deprimiert machte ich mich auf de n Weg . Noch immer gab es Schüler, die einen Bogen um mich machten , aber ich hatte mir in den letzten Monaten angewöhnt, sie z u ignorieren . Heute fiel es mir aus irgendeinem Grund schwerer als sonst . Wie ein Bannkreis, dachte ich und beobachtete drei meine r Klassenkameraden, die sich verlegen an mir vorbei durch da s uralte schmiedeeiserne Schultor schoben. Sie wussten einfac h nicht, was sie zu Mikes Verschwinden sagen sollten . Ich musste dreimal heftig niesen . Genau, dachte ich, ich bin ansteckend, eine Aussätzige, ein e vom Unglück Gezeichnete. Über mir lag ein Fluch . Nur so war es zu erklären, dass mir ausgerechnet an diese m Morgen die Schulpsychologin, Frau Mader, entgegenkam un d ich keine Möglichkeit hatte, ihr auszuweichen . Als Psychologin war sie völlig ungeeignet. Wer wollte schon je mandem, der lispelte, seine Geheimnisse anvertrauen, ge schweige denn Ratschläge annehmen ? Mit einem aufgeregten Winken gab sie mir zu verstehen, auf si e zu warten . »Sofie!« Sie streckte den rechten Arm aus, um mich an sich z u ziehen. Ich wich einen Schritt zurück und nieste rechtzeitig . Frau Mader ließ den Arm sinken . »Gibt es etwas Neues über deinen Bruder?«, fragte sie mitleidig . Ich schüttelte den Kopf .
    »Möchtest du darüber reden?«, kam die unvermeidliche nächs te Frage . Meinetwegen sollte Frau Mader brüllen: »Mach endlich di e Klappe auf und heul!« Aber dieses weich gespülte Lächeln gin g mir auf die Nerven. Und erst recht dieser heilige Blick hinte r den dicken Brillengläsern, als sei sie Jesus: Lasset die Kinder z u mir kommen . Mir wurde schlecht, als hätte ich zu viel Süßes gegessen: Zucker watte, Marshmallows, eine ganze Batterie weißer Mohrenköpfe . Die Finger fest an den Fahrradlenker geklammert, schüttelt e ich den Kopf. Das Rad rollte ein Stück weiter, als wollte es mic h vor der Psychologin retten . »Du weißt, wo du mich finden kannst! « Ich nickte höflich . »Ich bin jederzeit für dich da. « »Ja«, brachte ich krächzend hervor . »Oh, du bist ja schrecklich erkältet. Du hättest zu Hause bleibe n sollen. « »Geht schon. « »Es ist wichtig, dass du viel darüber sprichst, ganz wichtig… « Sie brach ab. Ihr neugieriger Blick hatte sich an Carlotta und Va lerie geheftet, die eng umschlungen an uns vorbeischlenderte n und ihre morgendliche Flüsterorgie
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